Kündigungsrechte für Fondsanleger: ungeschriebenes außerordentliches Kündigungsrecht bei Falschberatung
Bei der Durchsetzung von Ratenzahlungsansprüchen gegen säumige Anleger ist der schon seit Jahrzehnten geltende Grundsatz im Gesellschaftsrecht, dass langfristig laufenden Verträge aus besonderen Gründen jederzeit gekündigt werden können, zu beachten. Als besonderer Grund wird beispielsweise gewertet, wenn Anleger unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zum Beitritt als Gesellschafter gebracht werden. Nach mehreren hundert Gesprächen mit betroffenen Anlegern können wir sagen, dass dies in der Mehrzahl der Fälle zutrifft. Viele Anleger befinden sich in dem Glauben, über Raten einen bestimmten Betrag anzusparen. Erst mit der Mahnung erfahren sie dann, dass sie eine Ratenzahlungsverpflichtung eingegangen sind.
In der Regel wurde auch nicht auf das Risiko eines Totalverlusts hingewiesen, und eine Übergabe des Fondsprospekts ist gewöhnlich nicht erfolgt.
Bereits am 1. April 1953 hatte der Bundesgerichtshof in einem Urteil (Az.: II ZR 235/52) u.a. Folgendes bestimmt:
Die rechtliche Begründung für die Ausschließbarkeit eines GmbH-Gesellschafters aus wichtigem Grunde liefert dagegen der sowohl das bürgerliche wie das Handelsrecht beherrschende Grundsatz, dass ein in die Lebensbetätigung der Beteiligten stark eingreifendes Rechtsverhältnis vorzeitig gelöst werden kann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Dieser Rechtsgedanke findet sich in den bereits erwähnten §§ 737 BGB, 140 HGB (vgl. auch § 161 HGB für die Kommanditgesellschaft). Er hat auch noch mehrfach Niederschlag gefunden. So ist die Ausschließung aus der Genossenschaft aus den wichtigen Gründen des § 68 GenG möglich; Arbeitsverhältnisse und das Vertragsverhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und dem Handlungsagenten können beiderseits aus wichtigem Grunde fristlos gekündigt werden (§§ 626 BGB, 70, 92 Abs 2 HGB, 124 a, 133 b GewO); bei der OHG und der KG können Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis aus wichtigem Grunde entzogen werden (§§ 117, 127 HGB); aus dem gleichen Grunde kann die einem Gesellschafter der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft übertragene Geschäftsführungsbefugnis oder die Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH widerrufen werden (§§ 712 BGB, 38 Abs 2 GmbHG); dasselbe gilt für die Bestellung zum Vorstandsmitglied und die Ernennung zum Vorsitzer des Vorstandes der Aktiengesellschaft (§ 75 Abs 3 AktG); die bürgerlich-rechtliche Gesellschaft und die stille Gesellschaft sind aus wichtigem Grunde vorzeitig kündbar (§§ 723 BGB, 339 HGB); OHG, KG und GmbH können aus wichtigem Grunde aufgelöst werden (§§ 133, 161 HGB, 61 GmbHG). Allen diesen Bestimmungen ist gemeinsam, dass sie die vorzeitige Lösung von Rechtsbeziehungen aus wichtigem Grunde vorsehen und dass sie Rechtsverhältnisse von längerer Dauer betreffen, die stark in die Lebensbetätigung der Beteiligten eingreifen oder eine besondere gegenseitige Interessenverflechtung mit sich bringen und ein persönliches Zusammenarbeiten, ein gutes Einvernehmen oder ein ungestörtes gegenseitiges Vertrauen der Beteiligten erfordern (RG 128, 1 (16); 148, 81 (92); 160, 257 (270); 169, 203 (207 m w Nachw); BGH NJW 1951, 836). Demzufolge hat das Reichsgericht beim Vorliegen eines wichtigen Grundes den fristlosen Austritt aus einem Verein zugelassen, auch wenn die Satzung nur die Aufkündigung der Mitgliedschaft unter Einhaltung einer bestimmten Frist vorsieht (Bd 130, 375). Nicht minder gerechtfertigt ist der Schluss, dass ein Vereinsmitglied ausgeschlossen werden kann, falls ein wichtiger Grund vorliegt und die Satzung die Möglichkeit des Ausschlusses nicht vorsieht (RGRKomm z BGB § 39 Anm 2; Erman BGB § 39 Anm 6 uva). Denn auf Seiten des Vereins entspricht die Ausschließung der Kündigung. Ebenso führt jener allgemeine Rechtsgedanke für den GmbH-Gesellschafter zum fristlosen Austritt wegen wichtigen Grundes und auf der anderen Seite zur Ausschließung. Dass die Ausschließung des Gesellschafters der Kündigung entspricht, ist in den §§ 737, 140 HGB (vgl. auch Art 128 ADHGB) positiv-rechtlich niedergelegt. Bei der Verwandtschaft der GmbH mit den Personalgesellschaften und dem Verein wäre kaum zu verstehen, wenn die Ausschließung anders als bei ihnen nicht zulässig sein sollte. Die Rechtsgründe für die Ermöglichung der Ausschließung aus diesen Vereinigungen sprechen ebenso bei der GmbH für die Ausschließbarkeit, und das Bedürfnis hierfür ist nicht geringer als dort.
Bestätigt wurde dieser allgemeine Grundsatz in den Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 19. November 2013 für stille Gesellschafter (Az.: II ZR 320/12 und Az.: II ZR 383/132) – nichts Anderes gilt für Treuhandkommanditisten.
Mit seinem Urteil vom 20. Januar 2015 (Az.: III ZR 444/13) stärkte der Bundesgerichtshof erneut die Rechte von Kapitalanlegern:
Der einem Gesellschafter einer Personengesellschaft aufgrund der Regelungen um Treuhand- und im Gesellschaftsvertrag gleichgestellte Treugeber kann seine Beteiligung durch Kündigung gegenüber der Gesellschaft beenden und hat dann einen Anspruch gegen die Gesellschaft auf Zahlung eines etwaigen Abfindungsguthabens, wenn er bei seinem Beitritt über die Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung waren oder hätten sein können, nicht vollständig und verständlich aufgeklärt worden ist.
In dem diesem Urteil zugrunde liegenden Fall hatte sich der Kläger als Treugeber an einem geschlossenen Fonds beteiligt. Dabei war er nach dem Gesellschaftsvertrag einem Gesellschafter gleichgestellt. Dies ist für einen Großteil der existierenden Fonds zutreffend, die üblicherweise in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG existieren. Die Anleger beteiligen sich dabei über einen Treuhänder als mittelbare Kommanditisten. Der Bundesgerichtshof bestätigte nun eine vorvertragliche fehlerhafte Aufklärung als wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung der Beteiligung gegenüber der Fondsgesellschaft. Dies folgt daraus, dass den Anlegern im Innenverhältnis alle Rechte zustehen, die auch ein Kommanditist hat.
Zu diesen Rechten gehört auch das Recht des Anlegers, sich durch eine außerordentliche Kündigung von dem Vertrag zu lösen, wenn er – wie hier zu unterstellen ist – durch eine nicht ordnungsgemäße Aufklärung über die für seine Anlageentscheidung erheblichen Umstände zum Beitritt bestimmt worden ist.
Jedem Geschädigten ist eine kostenfreie Ersteinschätzung zu empfehlen, da nicht immer eine Einstellung der Ratenzahlung problemlos möglich ist. Auf keinen Fall sollte man jedoch den Kopf in den Sand stecken. Liegt eine Falschberatung vor, können Anleger mit entsprechender rechtlicher Begründung mit sofortiger Wirkung kündigen und haben ein Recht auf Rückzahlung bzw. Auseinandersetzung.
Damit einher geht jedoch nicht immer auch eine tatsächliche Rückzahlung des investierten Geldes. Vielmehr wird der Wert des Fondsanteils berechnet. Ergibt diese Berechnung ein Guthaben, wird dieses ausgezahlt. Wenn die Fondsanteile wertlos sind, erhält der Anleger keine Auszahlung, ist jedoch von künftigen Verbindlichkeiten zu befreien.
Jens Reime
Fachanwalt für Versicherungsrecht und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
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