Fehlender Hinweis auf Textform bringt Versicherungsvertrag zu fall

Bautzen, 21.04.2015

OLG Dresden, 21.04.2015 - 4 U 731/14 und OLG Köln · Urteil vom 5. September 2014 · Az. 20 U 88/14

Der Fall:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Rückzahlung der von ihr auf einen Versicherungsvertrag gezahlten Prämien nach dessen Widerruf.

Zwischen den Parteien bestand eine fondsgebundene Rentenversicherung. In dem Versicherungsschein ist drucktechnisch eingerückt folgender Hinweis enthalten:

"Dem Abschluss dieses Vertrages können sie innerhalb von 14 Tagen ab Zugang dieser Unterlagen widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs."

Die Klägerin erklärte den Widerspruch des Versicherungsvertrages gem. § 5 a VVG aF, forderte die Beklagte zur Auskunftserteilung auf sowie zur Rückzahlung von im Zeitraum 2002 bis einschließlich 2011 gezahlter Versicherungsbeiträge auf. Die Beklagte rechnete einen bestimmten Rückkaufswert ab und überwies diesen an die Klägerin.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Zahlung der gezahlten Versicherungsbeiträge…

Entscheidung:

Der Klägerin kann von der Beklagten die Rückzahlung der gezahlten Versicherungsbeiträge aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß §§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., 818 Abs. 1 BGB verlangen, weil sie diese rechtsgrundlos geleistet hat.

Begründung:

Den zwischen den Parteien bestehenden Rentenversicherungsvertrag hat die Klägerin rechtzeitig widerrufen, so dass der Rechtsgrund für die Beitragszahlungen entfallen ist.

Der zwischen den Parteien abgeschlossene Rentenversicherungsvertrag ist im Wege des sogenannten Policenmodells auf der Grundlage des § 5a VVG a.F. wirksam zustande gekommen. Nach Entscheidung des Bundesgerichtshofs bestehen keine Anhaltspunkte, dass die einschlägigen Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates dem in § 5a VVG a.F. geregelten Policenmodell entgegenstehen könnten.

Die Klägerin konnte dem Vertrag noch wirksam widersprechen, da die Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. nicht wirksam in Gang gesetzt wurde. Nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. beginnt der Lauf der Frist von 14 Tagen erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Abs. 1 (Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformation nach § 10a VAG) vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. Eine wirksame Belehrung des Verbrauchers über sein Widerspruchsrecht setzt voraus, dass auf die vorgeschriebene Form des Widerspruchs - hier Textform - hingewiesen wird. Der Versicherungsschein enthält hier zwar eine drucktechnisch deutlich hervorgehobene Widerspruchsbelehrung, jedoch genügt der Inhalt der Belehrung nicht den in der Vorschrift genannten Anforderungen. Der Widerspruchsbelehrung fehlt jeder Hinweis auf die vorgeschriebene Form, so dass schon aus diesem Grund keine ausreichende Belehrung vorliegt.

§ 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. steht dem nicht entgegen. Dieser ist für den Bereich der Lebens- und Rentenversicherungen nicht anwendbar, wie der Bundesgerichtshof entschieden hat.

Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil eine entsprechende Anwendung der Regelungen in den § 7 Abs. 2 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG nach Außerkrafttreten dieser Gesetze nicht mehr möglich ist.

Die Klägerin hat ihr Widerspruchsrecht auch nicht verwirkt. Im Falle der Unanwendbarkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG besteht das Widerspruchsrecht des Versicherungsnehmers, der nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden ist und/oder die Versicherungsbedingungen oder eine Verbraucherinformation nicht erhalten hat, grundsätzlich fort. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilte. Aus demselben Grund liegt in der Geltendmachung des bereicherungsrechtlichen Anspruchs keine widersprüchliche und damit unzulässige Rechtsausübung.

Die Beklagte ist der Klägerin nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB zur Herausgabe des durch deren Leistung Erlangten verpflichtet.

Es hat ein Ausgleich aller mit der Vermögensverschiebung zusammenhängender Vorgänge zu erfolgen. Leistung und Gegenleistung sind zu verrechnen. Daher kann die Klägerin den Ersatz des Wertes der von ihr im Zeitraum 2002 bis 2012 geleisteten Prämien verlangen.

Grundsätzlich muss sich die Klägerin im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den Versicherungsschutz anrechnen lassen, den sie jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossen hat. Erlangter Versicherungsschutz ist ein Vermögensvorteil, dessen Wert nach den §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB zu ersetzen sein kann. Einen Abzug für Verwaltungskosten braucht die Klägerin nicht hinzunehmen. Da diese Kosten (Personal- und Sachkosten) regelmäßig auch ohne den betroffenen Vertrag ohnehin anfallen, sind sie im Rahmen des Bereicherungsausgleichs nicht zu berücksichtigen.

Die Beklagte kann der Klägerin ferner die gezahlte Abschlussprovision nicht anspruchsmindernd als Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB entgegenhalten. Zugunsten des Versicherers sind nicht sämtliche Kosten, die unmittelbar oder mittelbar mit der Gewährung von Versicherungsschutz während der Dauer der Prämienzahlung zusammen hängen, mindernd zu berücksichtigen.

Bei der gerechten Risikoverteilung darf nicht außer Betracht bleiben, dass der Versicherer durch ein ihm zuzurechnendes Fehlverhalten (hier eine unzureichende Widerspruchsbelehrung) wesentlich dazu beigetragen hat, dass der Vertrag im Zustand schwebender Unwirksamkeit verblieben ist und nicht wirksam werden konnte. Bei dieser Sachlage erscheint es nicht angemessen, den Versicherungsnehmer mit den Kosten für den (letztlich nicht wirksam zustande gekommenen) Vertragsabschluss und die Vertragsdurchführung zu belasten.

Das OLG Köln, Urteil vom 5. September 2014 · Az. 20 U 88/14, führte weitergehend dazu aus, dass der Hinweis auf die Textform nicht deshalb entbehrlich war, weil in der Belehrung von der "Absendung" des Widerspruchs die Rede ist. Damit wird dem Versicherungsnehmer nicht klar vor Augen geführt, dass nur ein in Textform verfasster Widerspruch wirksam ist. „Absendung“ bezieht sich lediglich auf den Fall, dass der Versicherungsnehmer den Widerspruch in dokumentierter Form erklären will, und erläutert nur, dass in diesem Fall die rechtzeitige Absendung zur Fristwahrung reicht. Dass ein mündlicher Widerspruch ausgeschlossen ist und in jedem Fall die Textform gewahrt werden muss, ergibt sich aus der Belehrung nicht.

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