In dem vom BGH (Urteil vom 1. Juni 2016 · Az. IV ZR 343/15) zu entscheidenden Fall begehrte der Versicherungsnehmer von dem beklagten Versicherer Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensversicherung.
Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. Januar 1996 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Der Versicherungsnehmer erhielt vor Vertragsschluss nicht die Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG).
Nach Auffassung des Versicherungsnehmers ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Er sei niemals über sein Widerspruchsrecht belehrt worden. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.
Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs d. VN nicht wirksam zustande gekommen. Der Widerspruch war - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist - rechtzeitig. Die Widerspruchsfrist gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. wurde nicht in Gang gesetzt.
Der Vertrag wurde im Wege des Policenmodells abgeschlossen. Eine Belehrung erfolgte nicht. Auf die Belehrung im Antragsformular kommt es hier nicht an.
Eine ordnungsgemäße Belehrung über das Widerspruchsrecht hier auch nicht ausnahmsweise deshalb entbehrlich, weil der Versicherungsnehmer bei seinem Antrag auf Abschluss des Versicherungsvertrages durch einen Versicherungsmakler beraten worden ist. Eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung war nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. gesetzlich vorgeschrieben. Darauf, ob der Versicherungsnehmer im Einzelfall trotz nicht ordnungsgemäßer Belehrung von seinem Widerspruchsrecht gleichwohl zutreffend Kenntnis hatte, kommt es nicht an. Die Frage der Ordnungsgemäßheit der Belehrung ist abstrakt zu beurteilen.
Das Widerspruchsrecht bestand nach Ablauf der Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort. Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., wie der Senat mit mehreren Urteil bereits entschieden und im Einzelnen begründet hat.
Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Versicherungsnehmer das Recht zum Widerspruch nicht verwirkt. Es fehlt hier jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann der Versicherer schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil er die Situation selbst herbeigeführt hat, indem er der Versicherungsnehmer keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilte. Aus diesem Grund widerspricht die Ausübung des Widerspruchsrechts in Ermangelung über die reine Prämienzahlung hinausgehender, besonders gravierender Umstände auch nicht Treu und Glauben.
Auch inhaltliche Fehler bringen die Widerrufsfrist nicht in Gang so BGH mit Urteil vom 01.06.2016 482/14.
Die im Versicherungsschein erteilte Widerspruchsbelehrung war inhaltlich fehlerhaft, da sie keinen Hinweis darauf enthielt, dass der Widerspruch schriftlich zu erheben war. Die notwendige Belehrung über das gesetzliche Formerfordernis erfolgte nicht dadurch, dass dem Kläger weiterhin mitgeteilt wurde, zur Fristwahrung genüge die rechtzeitige "Absendung" der Widerspruchserklärung. Dass der Versicherungsnehmer durch die Belehrung über den gesetzlichen Standard hinausgehend die Möglichkeit eines Widerspruchs in mündlicher Form eingeräumt werden sollte, ist ihrem Text nicht zu entnehmen. Die weiteren Widerspruchsbelehrungen in den Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation sind nicht in drucktechnisch deutlicher Form gestaltet.
Das Widerspruchsrecht bestand nach Ablauf der Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort. Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., wie der Senat mit verschiedenen Urteilen entschieden und im Einzelnen begründet hat.
Das Recht zum Widerspruch war zudem nicht verwirkt. Es fehlt hier jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann der Versicherer schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil er die Situation selbst herbeigeführt hat, indem er d. VN keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilte.
Ob der Verwirkungseinwand möglich ist, wenn eine Widerspruchsbelehrung nur marginale Fehler aufweist, braucht hier nicht entschieden zu werden. Der genannte Belehrungsmangel - der fehlende Hinweis auf das Schriftlichkeitserfordernis - ist nicht belanglos, sondern betrifft einen für die Ausübung des Widerspruchsrechts wesentlichen Punkt.
Fazit:
Alle Versicherungsnehmer, die nicht ausreichend oder fehlerhaft über ihre Rechte (insbesondere Widerspruch und Rücktritt) belehrt wurden, haben guten Chancen ihre gezahlten Beiträge nahezu komplett zurückzuerhalten….
Wie sollten sich Versicherungsnehmer verhalten?
Der Versicherungsnehmer sollte seine konkrete Belehrung von einem Anwalt überprüfen lassen und den Vertrag dann ggfls. von diesem widerrufen lassen,
bevor er die Police im Original zu seinem Versicherer schickt.
Nach unserer Erfahrung ist es zwecklos, dies ohne anwaltliche Hilfe zu versuchen, da Versicherungskunden dann zumeist nicht ernst genommen werden.
Was ist zu tun?
Sofern Versicherungskunden bereits rechtsschutzversichert sind, benötigen wir für eine kostenfreie Abschätzung der rechtlichen und wirtschaftlichen Erfolgsaussichten den
Versicherungsantrag und die
Police samt Begleitschreiben sowie Mitteilung über gezahlte
Prämien und
Versicherungsleistungen.
Sofern noch keine Rechtsschutzversicherung besteht, kann hierfür eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen werden (BGH IV ZR 23/12), bevor Widerspruch oder Rücktritt ausgelöst werden.