Versicherungsnehmer kann Abschluss- und Verwaltungskosten zurückverlangen

Entscheidung des BGH vom 29.07.2015, IV ZR 448/14 und 384/14, sowie BGH vom 11.11.2015 – IV ZR 513/14

Der Fall:

Der Kläger fordert von der Versicherung Rückzahlung von Versicherungsprämien und Nutzungsersatz wegen ungerechtfertigter Bereicherung. Er schloss eine fondsgebundene Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung und planmäßiger Erhöhung (Policenmodell) gemäß § 5a VVG a.F. in der seinerzeit gültigen Fassung ab.

Die im Begleitschreiben zum Versicherungsschein enthaltene Widerspruchsbelehrung lautete wie folgt: "WIDERSPRUCHSRECHT Wie Ihnen bereits aufgrund unseres Hinweises im Versicherungsantrag bekannt ist, können Sie innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins dem Versicherungsvertrag widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs." Mehrere Jahre erbrachte der Kläger Beitragszahlungen, dann erklärte er den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F., hilfsweise die Kündigung seines Versicherungsvertrages. Die Beklagte zahlte - nach Abzug von Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag- einen Betrag als den Rückkaufswert inklusive Überschussbeteiligung aus. Der Kläger forderte die Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts. Nach Auffassung des Klägers ist der Versicherungsvertrag mangels ordnungsgemäßer Belehrung über das Widerspruchsrecht nicht wirksam zustande gekommen und es stünden ihm auch Verwaltungskosten und die Ratenzahlungszuschläge zu.

Entscheidung:

Der Versicherer kann sich hinsichtlich der entstandenen Abschluss- und Verwaltungskosten nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Daran ändern auch Ratenzahlungszuschläge nicht. Der Versicherungsnehmer erhält nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, Abschluss- und Verwaltungskosten zurückerstattet.

Gründe:

Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der Prämien. Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlungen. Er ist infolge des Widerspruchs des Klägers nicht wirksam zustande gekommen. Der Widerspruch war - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist - rechtzeitig.

Die Belehrung über den Widerspruch durch die Versicherung war nicht ordnungsgemäß. Sie enthielt keinen Hinweis darauf, dass der Widerspruch schriftlich zu erheben war. Außerdem war die Mitteilung des Fristbeginns unzureichend und damit fehlerhaft, weil die erteilte Belehrung hierfür allein auf den Erhalt des Versicherungsscheins, nicht aber auch der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation abstellte. Das Widerspruchsrecht bestand deshalb nach Ablauf der Jahresfrist fort. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. muss richtlinienkonform (Europarecht) dergestalt ausgelegt werden, dass für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

Die (hilfsweise) Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem Widerspruch nicht entgegen. Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht. Das Recht zum Widerspruch ist auch nicht verwirkt. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilte. Die Belehrungsmängel betreffen für die Ausübung des Widerspruchsrechts wesentliche Punkte - das Schriftformerfordernis, sowie den Beginn der Widerspruchsfrist.

Der Kläger kann von der Beklagten Prämienrückzahlung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verlangen. Der Rückgewähranspruch beinhaltet der Höhe nach nicht alle gezahlten Prämien, den der für die Laufzeit des Vertrages genossene Versicherungsschutz ist mindernd anzurechnen. Die von der beklagten Versicherung erbrachte Steuerzahlung ist dem Kläger als Vermögensvorteil, also den Rückkaufswert mindernd, anzurechnen. Der Einbehalt und die anschließende Abführung der Kapitalertragssteuer führt dazu, dass der Versicherungsnehmer auf diese Weise von einer Steuer- und Abgabenschuld frei wurde. Der Versicherer kam ihrer Entrichtungspflicht nach und beglich damit zugleich die Steuerschuld des Klägers. Dies gilt auch für den geschuldeten Solidaritätszuschlag.

Die von der Beklagten geltend gemachten und angefallenen Abschluss- und Verwaltungskosten führen nicht zum Wegfall der Bereicherung. Die Verwaltungskosten sind nicht zu berücksichtigen, weil sie nicht durch die Prämienzahlungen der Kläger entstanden, sondern unabhängig von dem Versicherungsvertrag angefallen und beglichen worden sind. Eine Verwendung für den Versicherungsbetrieb ändert daran nichts, da sich die Versicherung auf diese Weise den Einsatz sonstiger Finanzmittel erspart hat. Dies gilt auch für die Abschlusskosten. Die richtlinienkonforme Auslegung bezweckt den Schutz des Versicherungsnehmers. Dem widerspräche es, wenn der Versicherungsnehmer zwar dem Zustandekommen des Vertrages widersprechen könnte, aber die Abschlusskosten tragen müsste.

Der Kläger muss sich aber bereicherungsmindernd anrechnen lassen, dass die Fonds, in die die Sparanteile der von ihm gezahlten Prämien angelegt worden sind Verluste erwirtschaftet haben. Vermögensnachteile des Bereicherungsschuldners sind nur berücksichtigungsfähig, wenn sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise auf der Bereicherung beruhen. Die Fondsverluste sind insoweit durch die Prämienzahlungen des Klägers entstanden, als die Sparanteile der Prämien vereinbarungsgemäß in Fonds angelegt worden sind.

Weiterhin kommt es in Fällen bereicherungsrechtlicher Rückabwicklung von nicht zustande gekommenen oder unwirksamen Verträgen darauf an, inwieweit das jeweilige Entreicherungsrisiko nach den Vorschriften zu dem fehlgeschlagenen Geschäft oder nach dem Willen der Vertragsschließenden jeweils der einen oder anderen Partei zugewiesen sein sollte. Das Verlustrisiko aus der Anlage der Sparanteile kann nicht mit Blick darauf, dass der Lebensversicherungsvertrag nach dem wirksam erklärten Widerspruch rückwirkend und nicht erst ab der Widerspruchserklärung rückabzuwickeln ist, dem Versicherer auferlegt werden. Nach dem zum Ausdruck kommenden Willen der Vertragsparteien ist das Verlustrisiko hier dem Versicherungsnehmer zugewiesen. Bei der fondsgebundenen Lebensversicherung entscheidet sich der Versicherungsnehmer für ein Produkt, bei dem die Höhe der Versicherungsleistung - abgesehen von der Todesfallleistung - nicht von vorneherein betragsmäßig festgelegt ist, sondern vom schwankenden Wert des Fondsguthabens abhängt. Die - mit Gewinnchancen, aber auch mit Verlustrisiken behaftete - Kapitalanlage ist für den Versicherungsnehmer neben der Risikoabsicherung ein wesentlicher Gesichtspunkt, wenn er sich für eine fondsgebundene Lebensversicherung entscheidet. Dies rechtfertigt es grundsätzlich, ihm das Verlustrisiko zuzuweisen, wenn der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande kommt und rückabgewickelt werden muss.

Auch die Ratenzahlungszuschläge führen zu keinem Wegfall der Bereicherung der Beklagten. Es ist unerheblich, ob sie dem Ausgleich von Verwaltungsaufwendungen dienten oder einen Ausgleich für Zinsausfälle bei der Beklagten darstellten.

Der Kläger erhält - nach Abzug des Wertersatzes für den genossenen Versicherungsschutz – die Versicherungsprämien und alle durch die Versicherung tatsächlich gezogenen Nutzungen/ Vorteile. Danach kann der Kläger auch die gezogenen Gewinne der Versicherung für sich beanspruchen, sofern er sie darlegen (beweisen) kann. Dies ist ihm aufgrund der Abrechnungen der Versicherung möglich gewesen.

Fazit:

Alle Versicherungsnehmer, die glauben über ihre Rechte, insbesondere dem zum Widerruf nicht richtig belehrt worden zu sein, könnten einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Versicherungsprämie haben….

Wie sollten sich Versicherungsnehmer verhalten?

Der Versicherungsnehmer sollte seine konkrete Belehrung von einem Anwalt überprüfen lassen und den Vertrag dann ggfls. von diesem widerrufen lassen,

bevor er die Police im Original zu seinem Versicherer schickt.

Nach unserer Erfahrung ist es zwecklos, dies ohne anwaltliche Hilfe zu versuchen, da Versicherungskunden dann zumeist nicht ernst genommen werden.

Was ist zu tun?

Sofern Versicherungskunden bereits rechtsschutzversichert sind, benötigen wir für eine kostenfreie Abschätzung der rechtlichen und wirtschaftlichen Erfolgsaussichten den

Versicherungsantrag und die

Police samt Begleitschreiben sowie Mitteilung über gezahlte

Prämien und

Versicherungsleistungen.

Sofern noch keine Rechtsschutzversicherung besteht, kann hierfür eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen werden (BGH IV ZR 23/12), bevor Widerspruch oder Rücktritt ausgelöst werden.

Jens Reime - Anwalt für Bank- & Kapitalmarktrecht

Rechtsanwalt Jens Reime
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