Bundesgerichtshof-Urteil vom 05.11.2009, AZ.: III 302/08 – Zeitschrift „Handelsblatt“ Pflichtlektüre für Anlageberater ist werktäglich zu lesen

Weil ein Anlageberater eine Ausgabe des „Handelsblatt“ mit einer Verbotsverfügung der BaFin gegenüber einer Kapitalanlagegesellschaft erst drei Tage nach ihrem Erscheinen las und hierdurch noch dem Kläger zuvor eine Beteiligung an dieser Kapitalanlagegesellschaft empfahl, haftet er auf Schadensersatz.

Die Entscheidung

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Plausibilitätsprüfung verpflichtet. In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Ein Anlageberater ist deshalb gehalten, eine Anlage, die er empfehlen will, mit üblichem kritischem Sachverstand zu prüfen, oder den Anleger auf ein diesbezügliches Unterlassen hinzuweisen. Ein Anlageberater, der sich in Bezug auf eine bestimmte Anlageentscheidung als kompetent geriert, hat sich aktuelle Informationen über das Anlageobjekt zu verschaffen, das er empfehlen will. Dazu gehört auch die Auswertung vorhandener Veröffentlichungen in der Wirtschaftspresse. Bei einer privaten Anleihe muss danach über zeitnahe und gehäufte negative Berichte in der Börsenzeitung, der Financial Times Deutschland, dem Handelsblatt und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung unterrichtet werden (Senatsurteil vom 5. März 2009 - III ZR 302/07 - NJW-RR 2009, 687, 688 Rn. 13 f m.w.N.).



Im Allgemeinen kann der Anleger erwarten, dass sich sein Berater aktuelle Informationen über das Anlageprodukt beschafft und zeitnah Berichte in der Wirtschaftspresse zur Kenntnis nimmt (vgl. Senatsurteil 5. März 2009 aaO Rn. 14; BGH, Urteil vom 7. Oktober 2008 aaO Rn. 25). Dabei ist weiter im Blick zu behalten, dass gerade die Finanzmärkte auf relevante Informationen unmittelbar reagieren und deshalb der Aktualität der Informationen besondere Bedeutung zukommt. Darüber hinaus ist, wovon das Berufungsgericht ebenfalls ausgeht, die Erscheinungsweise des jeweiligen Presseorgans mit in die Beurteilung einzubeziehen. Regelmäßig darf davon ausgegangen werden, dass ein Presseorgan seinen Informationsgehalt in einer Ausgabe auf sein Erscheinungsintervall abgestimmt hat, so dass es grundsätzlich zumutbar ist, innerhalb des Erscheinungsintervalls die jeweilige Zeitschrift bzw. Zeitung zu lesen. Dabei sammeln sich, was nicht außer Acht gelassen werden darf, bei Tageszeitungen schon nach wenigen Tagen eine solche Fülle von Informationen an, dass diese nur noch eingeschränkt zur Kenntnis genommen werden können. Deshalb ist für werktäglich erscheinende Presseerzeugnisse unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Anlegers im Hinblick auf eine Beratung aufgrund aktueller Informationen jedenfalls eine Kenntnisnahme nach Ablauf von drei Tagen nicht mehr pflichtgemäß. Dem Anlageberater wird durch diese engen zeitlichen Vorgaben nicht Unzumutbares abverlangt. Es versteht sich, dass er die jeweiligen Presseorgane nicht vollständig lesen muss. Es reicht vielmehr aus, diese auf relevante Artikel zu den von ihm angebotenen Anlageprodukten durchzusehen und nur diese Nachrichten vollständig auszuwerten

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Fazit
Abschlussprovisionen nach Anlageberatung müssen auch verdient werden. Behauptungen „ins Blaue hinein“ können sich als tickende Zeitbombe darstellen. Die Auswertung bestimmter Massenmedien vor einer Anlageberatung gehört zu den Grundpflichten eines jeden Anlageberaters. Kommt es zum Haftungsfall, kann diese Pflichtverletzung leicht nachgewiesen werden.

Jens Reime - Anwalt für Bank- & Kapitalmarktrecht

Rechtsanwalt Jens Reime
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