Wirksamkeit des Widerrufs nicht davon abhängig, dass der Nachweis einer anderweitigen Krankheitskostenvollversicherung geführt ist

Mehrfach bestätigt durch die Rechtsprechung wurde nun erneut dahingehend entschieden, dass ein Widerruf der Krankenversicherung unabhängig von dem Nachweis einer bestehenden anderweitigen Krankenversicherung wirksam wird….

BGH · Urteil vom 18. Dezember 2013 · Az. IV ZR 140/13; LG Dortmund · Urteil vom 22. August 2013 · Az. 2 O 85/13; BGH Urteil vom 14. Januar 2015 · Az. IV ZR 43/14

 

LG Dortmund · Urteil vom 22. August 2013 · Az. 2 O 85/13

Entscheidung: § 205 Abs. 6 VVG findet auf den Widerruf nach § 8 VVG keine (anloge) Anwendung

Fall:

Die Klägerin (Versicherer) nimmt den Beklagten (Versicherungsnehmer) auf rückständige Krankenversicherungsprämie in Anspruch.

Der Beklagte beantragte bei der Klägerin u. a. den Abschluss einer Krankheitskostenvollversicherung, obwohl er bereits seinerzeit über seine berufstätige Ehefrau, von der er zurzeit in Trennung lebt, bei der E familienversichert war. Der Beklagte behauptet, er habe nach Beantragung der Krankenversicherung auf telefonische Nachfrage von der E die Auskunft erhalten, dass er dort noch versichert sei, weil er von seiner Ehefrau noch nicht geschieden sei. Er habe deshalb spätestens eine Woche nach dem Antrag durch Brief gegenüber der Klägerin den Widerruf der Krankenversicherung erklärt, er zahlte in der Folgezeit keine Prämien.

Die Klägerin hat einen Zugang des Widerrufs bestritten. Im Laufe des Rechtsstreits hat der Beklagte der Klägerin den Nachweis der E zukommen lassen, dass er dort seit 1996 durchgehend über seine Ehefrau familienversichert ist. Die Klägerin hält den Widerruf für verspätet und zudem für unwirksam, weil sie § 205 Abs. 6 VVG analog angewendet wissen will. Da die Kündigung nach § 205 VVG erst mit Zugang des Nachweises der Anschlussversicherung wirksam werde, könne für den Widerruf nach § 8 VVG nichts anderes gelten.

Gründe:

Die Klägerin kann von dem Beklagten keine Versicherungsprämie verlangen, weil der Beklagte seine Vertragserklärung rechtzeitig gemäß § 8 VVG widerrufen hat und die Wirksamkeit des Widerrufs nicht davon abhängig ist, dass der Nachweis einer anderweitigen Krankheitskostenvollversicherung geführt ist.

Der Beklagte hat seine Vertragserklärung rechtzeitig gemäß § 8 Abs. 1 VVG widerrufen. Zwar kann er den Zugang des ersten Widerrufs nicht beweisen. Allerdings ist folgend erklärter Widerruf noch rechtzeitig erfolgt, weil die 14-tägige Widerrufsfrist gemäß § 8 Abs. 2 VVG erst zu dem Zeitpunkt beginnt, zu welchem dem Versicherungsnehmer u. a. der Versicherungsschein zugegangen ist. Der Nachweis über den Zugang des Versicherungsscheins obliegt gemäß § 8 Abs. 2 VVG dem Versicherer, der diesen Nachweis allerdings nicht führen kann. Da der Beklagte keinerlei Prämie für die von ihm beantragte Krankheitskostenversicherung gezahlt hat, liegen auch keinerlei Anhaltspunkte vor, die auf einen Zugang des Versicherungsscheins schließen lassen könnten.

§ 205 Abs. 6 Satz 1 VVG steht der Wirksamkeit des Widerrufs des Beklagten nicht entgegen. Denn diese Vorschrift schränkt ihrem Wortlaut nach lediglich das Recht des Versicherungsnehmers nach § 206 Abs. 1 bis 5 ein, eine Krankheitskostenversicherung zu kündigen, die die Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 erfüllt. Dieser eindeutige Wortlaut des Gesetzes lässt dessen direkte Anwendung auf das Widerrufsrecht nach § 8 VVG nicht zu.

Der Auffassung, dass § 205 Abs. 6 VVG analog auf das Widerrufsrecht nach § 8 VVG anzuwenden sei, so dass der Widerruf einer Vertragserklärung auf Abschluss einer Krankheitskostenvollversicherung erst wirksam wird, wenn der Versicherungsnehmer den Nachweis einer anderweitigen Versicherung erbracht hat, die den Voraussetzungen einer die Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG erfüllenden Krankheitskostenversicherung entspricht, folgt das Gericht nicht.

Richtig ist, dass die vom Gesetzgeber in § 193 Abs. 3 VVG verankerte Versicherungspflicht das Ziel verfolgt, jeder Person mit Wohnsitz im Inland eine grundlegende Krankheitskostenversicherung zu verschaffen. Dementsprechend soll § 205 Abs. 6 Satz 1 VVG sicherstellen, dass jeder Versicherte über nahtlos angrenzenden Versicherungsschutz verfügt, wenn er seinen Vertrag kündigt. Vor diesem Hintergrund der gesetzgeberischen Intention wird von der Rechtsprechung und der versicherungsrechtlichen Literatur eine analoge Anwendung des § 205 Abs. 6 VVG auf den Widerruf der Vertragserklärung zum Abschluss einer Krankheitskostenversicherung nach § 8 VVG befürwortet.

Dem wird nicht gefolgt, da gewichtige Gründe gegen eine analoge Anwendung von § 205 Abs. 6 VVG auf den Widerruf einer auf Abschluss einer Krankheitskostenvollversicherung gerichteten Vertragserklärung nach § 8 VVG sprechen.

Der Gesetzgeber verfolgt das Ziel eines nahtlosen Krankenversicherungsschutzes nicht um jeden Preis und nicht ausnahmslos. Weder für den Fall der Arglistanfechtung durch den Versicherer nach arglistiger Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit durch den Versicherungsnehmer noch für den Fall der fristlosen Kündigung einer Krankheitskostenvollversicherung durch den Versicherer aus wichtigem Grunde gemäß § 314 BGB ist die Wirksamkeit der Gestaltungserklärung des Versicherers davon abhängig, dass der Versicherungsnehmer nahtlos eine Anschlussversicherung findet.

In § 194 Abs. 1 Satz 2, 3 und 4 VVG hat der Gesetzgeber für den Bereich der Krankenversicherung Vorschriften des allgemeinen Teils des VVG abgeändert. § 8 VVG zählt nicht zu den abgeänderten Vorschriften. Auch § 8 Abs. 3 VVG regelt Einschränkungen des Widerrufsrechts nach § 8 Abs. 1 VVG, ohne dass der Nachweis einer anderweitigen Krankheitskostenversicherung erwähnt wird. Das Gericht sieht darin einen gewichtigen Grund für die Ablehnung einer Analogie von § 205 Abs. 6 VVG auf den Widerruf nach § 8 VVG.

Zudem würde eine analoge Anwendung von § 205 Abs. 6 VVG das Recht des Versicherungsnehmers zum Widerruf seiner Vertragserklärung gemäß § 8 VVG unvertretbar einschränken. Denn der Widerruf ist nur innerhalb einer 14-tägigen Frist möglich. Innerhalb dieser kurzen Frist müsste der Versicherungsnehmer sich zum Widerruf entschließen, eine anderweitige Versicherung finden, diese policieren lassen und dem Vorversicherer den Nachweis darüber erbringen. Dies ist innerhalb der 14-tägigen Widerrufsfrist praktisch nicht zu bewältigen mit der Konsequenz, dass bis zum Nachweis der anderweitigen Krankheitskostenversicherer der Versicherungsnehmer dem Vorversicherer prämienpflichtig bleibt, da der Widerruf erst zu dem Zeitpunkt wirksam wird, zu dem der Versicherungsnehmer den Nachweis der anderweitigen Krankheitskostenversicherung erbringt. Eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Kündigung/des Widerrufs findet nicht statt.

Nicht zuletzt wäre die Abhängigkeit des Widerrufs vom Nachweis einer anderweitigen Versicherung mit europarechtlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren. Denn mit § 8 VVG wurde die Fernabsatzrichtlinie umgesetzt. Auch wenn § 8 VVG weit über den Anwendungsbereich der Fernabsatzrichtlinie hinausgeht, umfasst er auch die im Fernabsatz geschlossenen Versicherungsverträge. Artikel 7 der Fernabsatzrichtlinie sieht Zahlungen lediglich für eine vor Widerruf des Vertrages erbrachte Dienstleistung vor. Wie ausgeführt würde die analoge Anwendung von § 205 Abs. 6 VVG dazu führen, dass der Versicherungsnehmer geradezu zwangsläufig Versicherungsprämie auch über die Zeit seines Widerrufs hinaus zahlen müsste. Diese Rechtsfolge ist mit Artikel 7 der Richtlinie nicht zu vereinbaren.

Da somit der Widerruf der Vertragserklärung des Beklagten wirksam geworden ist, ist er zur Zahlung einer Versicherungsprämie für die beantragte Krankheitskostenversicherung nicht verpflichtet.

 

BGH · Urteil vom 18. Dezember 2013 · Az. IV ZR 140/13

Entscheidung:

Fall:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Kündigung einer Mitversicherung in einer vom Kläger bei der Beklagten abgeschlossenen Krankheitskostenversicherung. In dem Vertrag war zunächst auch der Sohn des Klägers als Mitversicherter einbezogen. Im November 2011 teilte die Beklagte dem Kläger wegen der Umstufung des Sohnes auf den Erwachsenentarif eine Erhöhung der Beiträge mit. Der Kläger kündigte daraufhin die Mitversicherung seines Sohnes. Die Beklagte teilte dem Kläger mit, die Kündigung für seinen Sohn werde erst wirksam, wenn er den Nachweis einer Anschlussversicherung erbringe.

Gründe

Das Berufungsgericht, hat ausgeführt, die Wirksamkeit der Kündigung hänge nicht von dem Nachweis ab, dass der Sohn des Klägers bei einem neuen Versicherer ohne Unterbrechung versichert sei. Die in § 205 Abs. 6 VVG geregelte Nachweispflicht einer Anschlussversicherung gelte nicht für volljährige Mitversicherte. Der Versicherungsnehmer unterliege bei der Kündigung einer Versicherung, durch welche die versicherte dritte Person ihre eigene Versicherungspflicht erfülle, nicht der Einschränkung des Kündigungsrechts aus § 205 Abs. 6 VVG. Dafür spreche schon der Gesetzeswortlaut.

Der Kläger war berechtigt, die Mitversicherung seines volljährigen Sohnes zu kündigen, ohne dass er eine nahtlose Anschlussversicherung für diesen nachweisen musste. Gemäß § 205 Abs. 6 Satz 1 VVG kann der Versicherungsnehmer abweichend von den Absätzen 1 bis 5 eine Versicherung, die eine Pflicht aus § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG erfüllt, nur dann kündigen, wenn er bei einem anderen Versicherer für die versicherte Person einen neuen Vertrag abschließt, der dieser Pflicht genügt. Nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG ist jede Person mit Wohnsitz im Inland verpflichtet, bei einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen für sich selbst und für die von ihr gesetzlich vertretenen Personen, soweit diese nicht selbst Verträge abschließen können, eine Krankheitskostenversicherung zu den dort genannten Bedingungen abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Durch diese Regelung soll sichergestellt werden, dass der Versicherte über einen nahtlos angrenzenden Versicherungsschutz verfügt, wenn er seinen bisherigen Vertrag kündigt.

Bei der Kündigung des für einen volljährigen Mitversicherten bestehenden Krankheitskostenversicherungsvertrages gemäß § 205 Abs. 6 Satz 1 VVG ist lt. Rechtsprechung der Nachweis einer Anschlussversicherung seitens des Versicherungsnehmers nicht erforderlich. Die Nachweispflicht besteht in diesen Fällen nicht, da die Versicherungspflicht sich gemäß § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG ausdrücklich auf den Versicherungsnehmer selbst sowie auf gesetzlich von diesem vertretene Personen beschränke. Der Versicherungsnehmer muss im Falle der Kündigung einer Krankheitskostenversicherung für einen von ihm gesetzlich nicht vertretenen volljährigen Mitversicherten nicht den Nachweis eines nahtlosen Krankenversicherungsschutzes für diesen führen.

Die Entbehrlichkeit des Nachweises lässt sich allerdings nicht damit begründen, dass den volljährigen Mitversicherten keine Versicherungspflicht gemäß § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG treffe. Diese Vorschrift verwendet nicht den Begriff des Versicherungsnehmers, sondern verpflichtet jede Person mit Wohnsitz im Inland für sich und die von ihr gesetzlich vertretenen Personen einen Krankenversicherungsschutz zu unterhalten. Insoweit ist anerkannt, dass dieser Versicherungspflicht auch durch eine Mitversicherung eines volljährigen Versicherungspflichtigen Genüge getan werden kann.

Hieraus folgt jedoch nicht, dass der Versicherungsnehmer an der Kündigung eines Versicherungsvertrages für einen volljährigen Mitversicherten gehindert wäre. Durch § 205 Abs. 6 Satz 1 VVG soll für den Versicherten ein nahtlos angrenzender Versicherungsschutz ermöglicht werden. Dieses Ziel wird durch § 207 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 VVG erreicht. Hiernach ist die versicherte Person, wenn der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis insgesamt oder für einzelne versicherte Personen kündigt, berechtigt, binnen zwei Monaten die Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses im eigenen Namen zu erklären. Um dieses Fortsetzungsrecht zu gewährleisten, bestimmt § 207 Abs. 2 Satz 2 VVG, dass die Kündigung nur wirksam wird, wenn die versicherte Person von der Kündigungserklärung Kenntnis erlangt hat. Der volljährige Mitversicherte ist daher von der Kündigung durch den Versicherungsnehmer zu unterrichten. Er selber hat sodann das Recht, die Fortsetzung des Vertrages im eigenen Namen zu verlangen. Entgegen der Auffassung der Revision steht der volljährige Mitversicherte also keineswegs ohne jeden Krankenversicherungsschutz da. Vielmehr liegt es in seiner Hand die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zu erklären. Hiermit genügt er zugleich seiner ihn treffenden Verpflichtung aus § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG. Auch wenn diese Versicherungspflicht durch eine Mitversicherung erfüllt werden kann, ändert dies nichts daran, dass die Versicherungspflicht den volljährigen Mitversicherten selbst trifft und nicht etwa den Versicherungsnehmer. Der volljährige Mitversicherte ist insoweit die von § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG angesprochene Person mit Wohnsitz im Inland.

Bei einem anderen Verständnis von § 205 Abs. 6 Satz 1 VVG hätte § 207 Abs. 2 Satz 1 und 2 VVG keinen eigenen Anwendungsbereich für den volljährigen Mitversicherten mehr. Wäre die Kündigung des Versicherungsnehmers gemäß § 205 Abs. 6 VVG erst dann wirksam, wenn er für die versicherte Person den Nachweis eines ununterbrochenen Versicherungsschutzes erbringt, käme es auf das in § 207 Abs. 2 VVG statuierte Eintrittsrecht des Versicherten und das Erfordernis seiner Kenntnis von der Kündigung des Versicherungsnehmers nicht an.

Gegen das Erfordernis des Nachweises eines ununterbrochenen Krankenversicherungsschutzes als Voraussetzung der Kündigung des Versicherungsnehmers für einen volljährigen Mitversicherten spricht ferner, dass der Versicherungsnehmer selbst nicht in der Lage ist, ohne Vollmacht des volljährigen Mitversicherten für diesen eine Anschlussversicherung i.S. des § 205 Abs. 6 Satz 1 VVG abzuschließen. Das Gesetz darf dem Versicherungsnehmer im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit keine Verhaltenspflichten auferlegen, die er selbst alleine nicht erbringen kann und die für ihn ohne Mitwirkung eines Dritten rechtlich unmöglich sind. Anderenfalls wäre die Grenze der Zumutbarkeit überschritten. So wäre es hier.

 

BGH · Urteil vom 14. Januar 2015 · Az. IV ZR 43/14

Entscheidung:

Fall:

Die Klägerin (Versicherer) nimmt den Beklagten aus einer privaten Krankheitskostenversicherung auf Zahlung rückständiger Prämien in Anspruch.

Die Beklagte erklärte wegen angekündigter Beitragserhöhung die fristlose Kündigung des Vertrages. Ein Nachweis für eine ohne Unterbrechung bei einem anderen Versicherer bestehende Pflichtkrankenversicherung i.S. des § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG lag der Kündigungserklärung nicht bei. Eine angeblich versandte Aufforderung hierzu habe die nicht erhalten.

Diese Bescheinigung ging bei der Klägerin erst nach 10 Monaten ein.

Der Beklagte meint, die aus § 242 BGB folgende Pflicht, den Versicherungsnehmer auf die Unwirksamkeit der Kündigung hinzuweisen, werde erst mit dem von dem Versicherer darzulegenden und nachzuweisenden Zugang des Hinweises erfüllt. Die Klägerin, die diesen Nachweis nicht habe führen können, sei ihm zum Schadensersatz verpflichtet. Nach Auffassung der Klägerin wird die Hinweispflicht demgegenüber bereits durch die Absendung der Mitteilung erfüllt. Jedenfalls trage der Gläubiger eines Schadensersatzanspruchs die primäre Darlegungs- und Beweislast für eine Pflichtverletzung. Diesen Beweis habe der Beklagte nicht geführt.

Gründe:

Versicherungsprämien kann die Klägerin nicht verlangen, da sie sich im Rahmen des von ihr geltend gemachten Primäranspruchs unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf die Unwirksamkeit der vom Beklagten erklärten Kündigung wegen Fehlens des Anschlussversicherungsnachweises berufen kann, weil sie den Beklagten hierauf nicht nachweisbar hingewiesen hat.

Die Kündigung einer Pflichtkrankenversicherung i.S. des § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG setzt nach § 205 Abs. 6 VVG den Nachweis eines bei einem neuen Versicherer ohne Unterbrechung fortbestehenden Versicherungsschutzes voraus. Die Kündigung wird gemäß § 205 Abs. 6 Satz 2 VVG a.F. im Zeitpunkt des Zugangs des Nachweises der Anschlussversicherung beim bisherigen Versicherer wirksam. Eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung beim bisherigen Versicherer kommt nicht in Betracht.

Allerdings traf die ihren Erfüllungsanspruch auf Prämienzahlung geltend machende Klägerin nach Erhalt der Kündigung die Pflicht, den Beklagten auf die Notwendigkeit eines Anschlussversicherungsnachweises und dessen Fehlen hinzuweisen. Diese Hinweispflicht ergibt sich unmittelbar aus dem Versicherungsvertrag, der in besonderer Weise vom Grundsatz von Treu und Glauben beherrscht wird. Ein derartiger Hinweis ist dem Versicherer, der die Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Kündigung eines Krankheitskostenversicherungsvertrages, der eine Pflicht aus § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG erfüllt, regelmäßig besser kennt als der Versicherungsnehmer, möglich und beeinträchtigt seine Interessen nicht. Diese Hinweispflicht aus § 242 BGB wird nicht durch die Beratungspflicht gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 VVG verdrängt.

Bei der Kündigung eines Vertrages gemäß § 205 Abs. 6 VVG besteht ein berechtigtes Interesse des Versicherungsnehmers, vom Versicherer auf den fehlenden Anschlussversicherungsnachweis hingewiesen zu werden. Andernfalls besteht für ihn die Gefahr, dass er - wie auch hier - zwar tatsächlich über einen ununterbrochen fortlaufenden Versicherungsschutz bei einem anderen Versicherer verfügt, gleichzeitig aber das Vertragsverhältnis gegenüber dem bisherigen Versicherer wegen des nicht vorgelegten Anschlussversicherungsnachweises wirksam bleibt. Einer derartigen Doppelversicherung mit der Gefahr doppelter Prämienzahlung vorzubeugen, dient (jedenfalls auch) die Hinweispflicht des Versicherers. Nicht anders liegt es bei Versicherungsnehmern, die über keinen Anschlussversicherungsnachweis verfügen. Sie sind ebenfalls berechtigterweise daran interessiert, über die Unwirksamkeit ihrer Kündigung bis zum Nachweis einer Anschlussversicherung unterrichtet zu werden.

Die Hinweispflicht des Versicherers umfasst nicht nur die Absendung eines entsprechenden Hinweisschreibens, sondern auch dessen Zugang beim Versicherungsnehmer. Die dem Versicherungsnehmer nach Treu und Glauben geschuldeten Informationen sind empfangsbedürftig. Sie sollen ihm eine effektive Vertragsabwicklung ermöglichen, indem sie ihm entscheidungserhebliche Umstände aufzeigen, von denen er sonst nichts wüsste. Die Hinweispflicht verfehlte ihren Zweck, erstreckte sie sich nicht zugleich auf den Erhalt der Information durch den Adressaten. Auch im Rahmen der Hinweispflicht nach § 186 Satz 1 VVG wird überwiegend ein Zugang des Hinweises gefordert, für den der Versicherer darlegungs- und beweispflichtig ist.

Diesen Nachweis des Zugangs hat die Klägerin nicht erbracht. Dies führt allerdings nicht zur Wirksamkeit der Kündigung durch den Beklagten bereits zum Eingang des Kündigungsschreibens. Soweit in Rechtsprechung und Schrifttum - insbesondere für die Zeit vor der Reform des Versicherungsvertragsrechts - die Auffassung vertreten wurde, der Versicherer dürfe sich auf die Unwirksamkeit der Kündigung nicht berufen, sondern müsse sich so behandeln lassen, als habe der Versicherungsnehmer die Kündigungsvoraussetzungen schon zu einem früheren Zeitpunkt erfüllt, ist das jedenfalls für Verletzungen der Hinweispflicht im Rahmen von § 205 Abs. 6 VVG unzutreffend. Hierdurch würde das erklärte Ziel des Gesetzgebers bei § 205 Abs. 6 VVG, ununterbrochenen Versicherungsschutz sicherzustellen, unterlaufen. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 205 Abs. 6 Satz 2 VVG a.F. wird die Kündigung erst wirksam, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass die versicherte Person bei einem neuen Versicherer ohne Unterbrechung versichert ist. Eine Rückwirkung der Kündigungswirkung tritt weder durch die erst nachträglich erfolgte Vorlage des Anschlussversicherungsnachweises noch durch den unterbliebenen Hinweis des Versicherers ein.

Die Klägerin ist allerdings unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB daran gehindert, sich, wenn sie wegen des noch nicht beendeten Versicherungsvertrages ihren Prämienanspruch geltend macht, auf die Unwirksamkeit der vom Versicherungsnehmer erklärten Kündigung zu berufen, wenn sie diesen - was sie darzulegen und zu beweisen hat - nicht auf den fehlenden Anschlussversicherungsnachweis hingewiesen hat. Der Prämienanspruch des Versicherers im Falle einer vom Versicherungsnehmer erklärten Kündigung des Versicherungsvertrages, die mangels Vorlage des Anschlussversicherungsnachweises (noch) keine Wirkung entfaltet, setzt voraus, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer auf das Fehlen des Nachweises ununterbrochenen Versicherungsschutzes hingewiesen hat. Nur so wird für den Versicherungsnehmer sichergestellt, dass er nicht zeitgleich zwei Versicherungen mit demselben Leistungsinhalt und der Verpflichtung zu doppelter Prämienzahlung unterhält. Der Versicherer wird auch nicht über Gebühr belastet, wenn ihm, soweit er seinen Prämienanspruch verfolgt, die Beweislast dafür auferlegt wird, dass er dem Versicherungsnehmer den erforderlichen Hinweis erteilt hat und dieser ihm zugegangen ist. Dies muss nicht zwingend dadurch geschehen, dass der Versicherer sein Hinweisschreiben mit Einschreiben/Rückschein verschickt.

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