Rücktransport aus dem Ausland – Kostenübernahme im Rahmen des medizinisch notwendigen

Ob ein Anspruch auf die Übernahme von Transportkosten aus dem Ausland durch den Versicherer besteht, hängt davon ab, ob diese medizinisch notwendig war.

So entschied das OLG Hamm (Urteil vom 30. Oktober 2015 · Az. 20 U 190/13), dass eine Auslandskrankenversicherung dem Versicherungsnehmer die Kosten für einen Rückflug nach Deutschland zu erstatten hat, wenn seine notwendige medizinische Behandlung im Ausland nicht gewährleistet ist. Allerdings werden nur solche Kosten ersetzt, die geboten/ notwendig sind (OLG Karlsruhe · Urteil vom 7. Mai 2015 · Az. 12 U 146/14)

Die medizinischen Erforderlichkeit richtet sich nach objektiven Kriterien, wobei es genügt, wenn es vertretbar war, den Rücktransport zu dem Zeitpunkt, in dem darüber entschieden wurde, nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen als erforderlich anzusehen.

Mit dem Begriff der medizinischen Notwendigkeit wurde ein zur Bestimmung des Versicherungsfalls objektiver, vom Vertrag zwischen Arzt und Patient unabhängiger Maßstab eingeführt. Insoweit hängt die Beurteilung nicht allein von der Auffassung des Versicherungsnehmers oder des ihn behandelnden Arztes ab, sondern von den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung. Steht danach die Eignung einer Behandlung, eine Krankheit zu heilen oder zu lindern oder ihren Verschlimmerungen entgegenzuwirken, nach medizinischen Erkenntnissen fest, folgt daraus grundsätzlich auch die Eintrittspflicht des Versicherers. Medizinisch notwendig kann eine Behandlung aber auch dann sein, wenn ihr Erfolg nicht sicher vorhersehbar ist. Es genügt insoweit, wenn die medizinischen Befunde und Erkenntnisse es im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar erscheinen lassen, die Behandlung als notwendig anzusehen.

Nichts anderes gilt für die hier zu beantwortende Frage, ob ein Rücktransport aus medizinischen Gründen erforderlich war, weil am Ort der Erkrankung im Ausland eine ausreichende medizinische Behandlung nicht gewährleistet war.

Im Zeitpunkt der Verlegung der Klägerin nach Deutschland war aus den medizinischen Befunden eine Indikation zur möglichst zeitnahen Klärung mittels Eröffnung der Bauchhöhle medizinisch notwendig. Dass die die Klägerin im Ausland behandelnden Ärzte bis zum Zeitpunkt des Rücktransports der Klägerin nicht beabsichtigten den gebotenen operativen Eingriff durchzuführen, stand nach der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats fest.

Darauf, wer letztlich die Entscheidung getroffen hat, dass die Klägerin zur Durchführung des dringend erforderlichen Eingriffs nach Deutschland transportiert werden sollte oder ob die Klägerin, die sich ausweislich der ärztlichen Unterlagen in einer lebensbedrohlichen Situation befand, eine Patientenverfügung hatte, kommt es für die im Streitfall allein maßgebliche Frage, ob ein Rücktransport aus medizinischen Gründen erforderlich war, nicht an.

Zudem hat im Rahmen der für die Frage der Vertretbarkeit erforderliche Prognoseentscheidung, eine evtl. durch einen anderen Arzt angeordnete Behandlung von vornherein außer Betracht zu bleiben. Vor diesem Hintergrund war der Transport der Klägerin nach Deutschland nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Entscheidung schon deshalb medizinisch vertretbar, weil bei einer Fortführung der im Ausland geplanten Antibiotika-Behandlung ein letaler Verlauf der Erkrankung unmittelbar drohte. Die Klägerin kann schon deshalb nicht auf weitere mögliche, aber völlig ungewissen abweichende ärztliche Einschätzungen anderer Behandler vor Ort verwiesen werden.

Zur Frage der medizinischen Notwendigkeit eines Krankenrücktransports durch Charterflug, wenn auch eine Rückreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Linienflug) in Betracht kommt hatte sich das OLG Karlsruhe zu äußern.

Hier begehrte der klagende Versicherungsnehmer die Übernahme der Kosten für einen Charterflug. Die Versicherte befand sich in der 35. Schwangerschaftswoche als bei ihr während eines Auslandsaufenthalts Komplikationen in Form von Blutungen und Wehen auftraten. Sie wurde daher eine Nacht im Krankenhaus stationär aufgenommen und behandelt. Die Blutungen konnten gestoppt werden. Die Versicherte erhielt einen 48 Stunden wirksamen Wehen-Hemmer und wurde mit einer Flugtauglichkeitsbescheinigung aus dem Krankenhaus entlassen. Sie flog zusammen mit dem Kläger mittels eines vom diesem organisierten Charterflugs nach Stuttgart. Der Flug dauerte ungefähr zwei Stunden. Eine Fahrt mit dem PKW hätte ca. zwölf Stunden in Anspruch genommen.

Der Versicherer hat vorgetragen, dass ein Rücktransport medizinisch nicht erforderlich gewesen sei, jedenfalls aber kein vom Versicherungsnehmer selbst organisierter Charterflug. Die Klägerin habe durch die Buchung eines Charterflugs nicht den Schaden minimiert, sondern weit höhere Kosten verursacht.

Das OLG Karlsruhe entschied,  die Klägerin hat nur einen teilweisen Anspruch auf Erstattung der Rücktransportkosten.

Den Beklagten trifft als Krankenversicherer die Pflicht, bei einem behaupteten Versicherungsfall die Notwendigkeit eines Krankenrücktransports vor Durchführung zu prüfen und die Krankenrücktransportkosten auszugleichen. Unter einem „medizinisch notwendigen Krankenrücktransport“ ist eine erforderliche Maßnahme im Zusammenhang mit dem Rücktransport zu verstehen, die nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt ihrer Vornahme aus ärztlicher Sicht vertretbar gewesen war. Nach durchgeführter Beweisaufnahme steht fest, dass eine Rückreise aus der Normandie nach Hause grundsätzlich medizinisch notwendig war, nicht aber der gewählte Rücktransport mittels eines Charterfluges.

Der Sachverständige hat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass eine Rückreise mit dem Zug (8 Stunden) oder ein Rückflug mit einmaligen Umsteigen (6 Stunden) akzeptabel gewesen sei. Die Empfehlung zum Fliegen beruhe auf der Komfortabilität und nicht auf der Geschwindigkeit. Eine möglichst schnelle Rückreise sei nicht erforderlich gewesen. Ungeachtet der ihrer verständlichen Sorge um das Kind wäre die Versicherte nicht aus der Klinik entlassen worden, wenn ihr Gesundheitszustand nicht stabil gewesen wäre. Die Versicherte habe sich in einer Phase der Schwangerschaft befunden, dass man eine Geburt nicht mehr aufgehalten hätte.

Da der Rücktransport mit dem Charterjet nicht medizinisch erforderlich war, sondern sich das Erfordernis des Rücktransports auf die Rückkehr mittels eines Linienfluges oder per Bahn beschränkte, sind nur diejenigen Kosten zu erstatten, die durch die Benutzung dieser Verkehrsmittel angefallen wären. Zwar hat der Kläger bestritten, dass ein solcher Flug an diesem Tag nicht verfügbar gewesen wäre. Hierauf kommt es indes nicht an, weil eine Rückfahrt mit der Bahn nach allgemeiner Lebenserfahrung keine höhere Kosten verursacht hätte.

Hierbei handelt es sich nicht um Sowieso-Kosten. Diese Kosten wären nicht in jedem Fall angefallen. Vielmehr hat der Kläger angegeben, die Reise mit dem PKW angetreten zu haben. Dieser musste rücküberführt werden.

Ein weitergehender Anspruch ergibt sich auch aus § 83 Abs. 1 VVG nicht. Danach hat der Versicherer Aufwendungen des Versicherungsnehmers nach § 82 Abs. 1 und 2 VVG, auch wenn sie erfolglos bleiben, insoweit zu erstatten, als der Versicherungsnehmer sie den Umständen nach für geboten halten durfte.

Geboten sind solche Maßnahmen, die Erfolg versprechen und die in ihrem Aufwand nicht außer Verhältnis zum angestrebten Erfolg stehen. Hierfür trägt der Versicherungsnehmer die Darlegungs- und Beweislast. Zwar wurde das erstrebte Ziel, die rasche Rückkehr nach Deutschland, erreicht. Aus den Ausführungen des Sachverständigen folgt aber, dass die für den Charterflug aufgewandten Kosten außer Verhältnis zum angestrebten Erfolg standen. Die Rückreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln wäre ausreichend gewesen und hätte nur ein Bruchteil der Kosten verursacht.

Fehlreaktionen und Fehleinschätzungen bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit sind dabei unschädlich. Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Dabei hat der Versicherungsnehmer darzulegen und zu beweisen, dass er die konkrete Handlung ohne grobe Fahrlässigkeit für geboten halten durfte. Die Klägerin hat indes nicht vorgetragen, konkret eine Rückreise mittels eines Linienfluges in Erwägung gezogen zu haben. So fehlt es an einem Vortrag dahingehend, dass sie überhaupt Nachforschungen angestellt hat, um eine Linienverbindung zu ermitteln, und danach anhand konkreter Informationen Vor- und Nachteile im Vergleich zum Charterflug ggf. zusammen mit dem behandelnden Arzt eingehend erörtert hat. Hierzu wäre ausreichend Zeit und Gelegenheit gewesen. Allein der Vortrag, der behandelnde Arzt habe die schnellstmögliche Rückreise empfohlen, reicht insoweit nicht aus.

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Jens Reime - Anwalt für Bank- & Kapitalmarktrecht

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