Berufsunfähigkeits- oder Krankenkostenversicherer kündigen und fechten gegenüber Versicherungsnehmern häufig ihre Versicherungsverträge an, wenn sich herausstellt, dass die ein oder andere Gesundheitsfrage falsch beantwortet wurde.
Der Fall
Ein Krankenkostenversicherer kündigte den Vertrag, weil der Versicherungsnehmer eine Gesundheitsfrage falsch beantwortet hatte. Die Gesundheitsfragen und Belehrung über die Folgen einer solchen falschen Antwort (§19 Abs. 5 VVG) sind dem Versicherungsnehmer jedoch nicht in Textform zugegangen. Er musste sie auf dem Laptop des Versicherungsagenten ablesen.
(…)
Gesundheitsfragen sind bei mündlicher Befragung durch den Versicherungsvertreter und der Aufnahme der Antworten in dessen Laptop allenfalls dann in Textform gemäß § 19 Abs. 1 VVG gestellt, wenn die Fragen in einer Art und Weise mit dem Versicherungsnehmer durchgegangen worden sind, die einer sorgsamen, nicht unter Zeitdruck stehenden und gegebenenfalls durch klärende Rückfragen ergänzten Lektüre gleichsteht, der Versicherungsvertreter dem Versicherungsnehmer die Fragen also zu "eigenverantwortlicher (mündlicher) Beantwortung" vorgelesen hat
(…)
Im vorliegenden Fall ist dies nicht geschehen. Der Informations-, Dokumentations- und Warnfunktion der Belehrung wurde nicht genüge getan. Der Versicherungsnehmer musste die Fragen so vor Augen haben müssen, als ob sie verkörpert waren.
Eine Arglist des Versicherungsnehmers, bei welcher der Versicherer trotz fehlerhafter Befragung dennoch leisten müsste, lag nicht vor. Der Versicherer konnte diese nicht darlegen und beweisen. Da es sich insoweit um eine innere Tatsache handelt, waren Indizien zu würdigen, dass der Versicherungsnehmer das Bewusstsein hatte, der Versicherer werde seine Entscheidung über seinen Antrag von der Angabe dieser Umstände abhängig machen. Dies konnte im vorliegenden Falle vom Versicherer nicht bewiesen werden.
Entscheidung
Der Versicherer muss den gekündigten Vertrag fortführen, die Kündigung ist unwirksam, der Anspruch auf Leistung besteht.
Folgen
Ob bei der falschen Beantwortung von Gesundheitsfragen Arglist vorliegt oder nicht ist Einzelfallentscheidung. Wird ungenau oder falsch geantwortet, ist nicht automatisch von Arglist auszugehen. Es ist zu hinterfragen, ob dem Versicherungsnehmer das Risiko der Falschbeantwortung überhaupt bewusst war bzw. ob er ordnungsgemäß belehrt worden ist, damit er auch ganz genau über seine zurückliegende Krankheitsstatistik nachdenkt.