Möglichkeiten für Wirecard Aktionäre: Musterklage durch Landgericht München eröffnet zur Teilnahme

Das KapMug-Verfahren im Wirecard-Skandal für Aktionäre

Der Wirecard-Skandal wird im Allgemeinen als der größte Finanzskandal in Deutschland in der Nachkriegszeit angesehen. Über 20 Milliarden an Vermögenswerten wurden durch die Insolvenz des Wirecard-Konzerns effektiv vernichtet. Für Aktionäre bedeutete dies hohe Verluste, die man so einfach nicht hereinholen kann. Jetzt geht es darum, die entstandenen Schäden zu minimieren. Das geschieht im Rahmen einer Sammelklage, die als Musterverfahren geführt wird und eine Chance für kleine Anleger darstellt. So können zumindest Teile der Schäden mit ein bisschen Glück abgefedert werden. Wie das geht, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen und wie man ohne Rechtsschutzversicherung an diesem Verfahren teilnehmen kann, sollen die nächsten Abschnitte einmal näher aufzeigen. Die Grundlage für die Sammelklage bildet das sogenannte }KapMug-Verfahren}. Dieses Verfahren wurde mit der Einführung des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes (KapMuGG) eingeführt und soll den kleinen Anlegern einen vereinfachten Zugriff auf durchsetzbare Schadensersatzansprüche gegenüber Unternehmen, sowie am Schadensfall beteiligten Unternehmen ermöglichen. Am 14. März 2022 hat das Landgericht München I durch einen Vorlagebeschluss den Weg für ein solches Verfahren freigemacht. Anleger und Aktionäre müssen nun überlegen, ob sie an der Sammelklage teilnehmen möchten.

Das KapMug-Verfahren (Kapitalanleger-Musterverfahren)

Die letzte große internationale Finanzkrise zeigte eine deutliche Schwäche der deutschen Rechtssprechung auf. Kleinen Anlegern und Aktionären war es nicht möglich, bei entstandenen Schäden entsprechende Lösungsschritte zur Schadensminimierung zu ergreifen. Selbst mit einer guten Rechtsschutzversicherung kann ein kleiner Anleger sein Recht gegenüber den großen Finanzkonzernen in der Regel nicht, oder nicht vollumfänglich durchsetzen. Das verwundert auch wenig, wenn man bedenkt, dass die Konzernbilanzsumme im schlimmsten Fall dem Streitwert des Verfahrens entspricht. Alleine die Prüfungshandlungen zum Sachverhalt sind so komplex, dass eine reguläre Rechtsschutzversicherung hierfür die Kosten auf keinen Fall stemmen will. Der kleine Anleger hat dann natürlich keine Chance und kann seine Rechte nicht durchsetzen. Mit }KapMug} wurde eine Lösung geschaffen, die den Bedürfnissen von kleinen Anlegern die notwendige Aufmerksamkeit zuteilwerden lassen soll. Dabei handelt es sich um eine bewilligungsbedürftige Sammelklage, die nicht von einem einzelnen Aktionär gestartet werden kann. Vielmehr muss von einem zuständigen Gericht die Zulässigkeit eines solchen Verfahrens festgestellt werden. Dieser Antrag hat rechtzeitig zu erfolgen und bei Erfolg kann die Verjährung der Ansprüche unter Umständen gehemmt werden. So erhalten Anleger eine reale Chance auf Schadensersatz und können sich besser vor Schäden schützen.

Im konkreten Fall geht das Verfahren nach dem KapMugG allerdings nicht gegen den ehemaligen Wirecard-Konzern. Vielmehr steht die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young im Fokus. Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen war zuständig für die Testierung der Konzernbilanzsumme von Wirecard. Da EY hier nach einer ausführlichen Prüfung keine Fehler fand, sondern sein Testat sofort ausstellte und erst später zurückzog, kann von einem vorsätzlich begangenen Fehlverhalten ausgegangen werden. Die Wichtigkeit des Testats ist in Deutschland sehr groß. Denn ohne entsprechende Testierung ist es Unternehmen wie Wirecard nicht möglich, einen korrekten Jahresabschluss zu erstellen und diesen rechtsgültig zu veröffentlichen. Im Falle von Wirecard hat das Landgericht München I grundsätzlich festgestellt, dass ein KapMug-Verfahren angewandt werden darf und so die Interessen der Anleger geschützt werden müssen. Alle anderen Verfahren in diesem Zusammenhang müssen dementsprechend eingestellt, oder pausiert werden. Anleger haben nun eine Chance und die Möglichkeit, sich an diesem Verfahren zu beteiligen und ihre Argumente darzulegen. Da es sich hier um eine Gruppenklage handelt, wird diese durch einige wenige und sehr spezialisierte Rechtsanwaltskanzleien geführt. Diese ermöglichen in der Regel eine kostenlose Teilnahme. Allerdings ist die kostenlose Teilnahme nicht immer möglich. Der nächste Abschnitt klärt hierüber näher auf. Der Vorteil des Verfahrens ist, dass im Falle einer Niederlage die Prozesskosten deutlich geringer ausfallen und in der Regel auch von einem einzelnen Anleger und dessen Rechtsschutzversicherung gestemmt werden können.

Wer kann am KapMug-Verfahren teilnehmen?

Grundsätzlich steht es jedem Anleger frei, an dem Verfahren teilzunehmen. Allerdings haben die verschiedenen beteiligten Sozietäten unterschiedliche Zugangsvoraussetzungen festgelegt. Diese können beschränkend wirken. Beispielsweise können bei einer Kanzlei lediglich Aktionäre teilnehmen, die einen Verlust von mindestens 20.000 Euro nachweisen können. Auch die Kostenübernahme des Verfahrens durch eine Rechtsschutzversicherung kann unter Umständen eine Zugangsbeschränkung darstellen. Die grundsätzliche Voraussetzung für die Teilnahme ist, dass die Vorabprüfung der Sachlage erfolgreich durchlaufen wird. Folglich müssen zumindest Nachweise darüber erbracht werden, dass man als Anleger durch das mögliche Fehlerverhalten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young einen Verlust erlitten hat. Dazu muss man natürlich Anteile am Unternehmen Wirecard besessen haben. Ist dieser Nachweis möglich, dann kann die Teilnahme, unter der Voraussetzung der Erfüllung der anderen Vorgaben, nicht verweigert werden. Die Rechtsanwaltskanzleien sorgen in der Regel durch eine sehr gute Aufklärung dafür, dass sich die Anleger über das künftige Verfahren ausgiebig informieren und ihre Chancen abschätzen können. Die Teilnahme ist auf jeden Fall eine sinnvolle Idee, wenn man seine Ansprüche effektiv und kostengünstig durchsetzen möchte. Es gibt noch eine Reihe von weiteren Gründen, weswegen das KapMug-Verfahren gegenüber Einzelklagen zu jeder Zeit bevorzugt werden sollte.

Deswegen ist die Teilnahme am KapMug-Verfahren im Vergleich zur Einzelklage die bessere Alternative

Die Einzelklage eines Anlegers ist nur auf den ersten Blick eine bessere Alternative. Man bekommt hier zwar eine deutlich höhere Entschädigungssumme in Aussicht gestellt, muss allerdings auch mit hohen Kosten kalkulieren. Sämtliche Schritte, die ansonsten von den Teilnehmern an der Sammelklage gemeinsam getragen werden, müssen vom einzelnen Kläger in Vorkasse erbracht werden. Das ist für die meisten Verbraucher schlichtweg nicht erschwinglich und im Falle eines Fehlschlags sehr teuer. Auch wenn im Urteil eine geringere Summe als erwartet zugesprochen wird, kann das Ergebnis unterm Strich negativ ausfallen. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Zuverlässigkeit bei der Zuteilung der Schadenssumme. Diese ist begrenzt auf den vermuteten Schadenswert und hier werden die Ansprüche einzelner Anleger gegen die Ansprüche der Gesamtheit der Anleger aufgerechnet. Die Teilnehmer an einer Sammelklage sind hier immer im Vorteil. Das wäre nur nicht der Fall, wäre der Einzelkläger im Besitz einer signifikanten Menge an Anteilen gewesen. Dann wäre er aber kein einfacher Anleger mehr, sondern ein Großaktionär und könnte seine Ansprüche anderweitig befriedigen. Die Sammelklage ist hier eine effizientere Lösung und ermöglicht die Durchsetzung von Ansprüchen, auch wenn man nur wenige Anteile an Wirecard besessen hat und normalerweise als Einzelkläger nur wenige Chancen auf einen juristischen Erfolg hätte. Desweiteren ist mit einer deutlichen Beschleunigung des gesamten Verfahrens zu rechnen. Die Anleger können ihre einzelnen Klagen bündeln und so ihre Anliegen deutlich effektiver vertreten lassen. Sie bleiben im Ergebnis unabhängig von den Ergebnissen anderer Prozesse und Klagen, da diese nachrangig gegenüber dem KapMug-Verfahren behandelt werden müssen. Davon ausgenommen sind natürlich Strafprozesse, deren Ergebnisse in das juristisch Ergebnis des KapMug-Verfahrens mit einfließen können aber in der Regel nicht entscheidend wirken.

Wie bewerten Experten die Aussichten auf Erfolg?

Hier gibt es ein sehr stark durchmischtes Stimmungsbild. Das Problem ist, dass es einen vergleichbaren Fall in Deutschland bis heute noch nicht gab. Es geht in diesem Fall ja nicht um die Verfehlungen der Vorstände von Wirecard. Diese wurden bereits zur Genüge festgestellt und nachgewiesen. Es muss vielmehr der Nachweis erbracht werden, dass die beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vorsätzlich oder fahrlässig in falsches Testat ausgestellt hat. Daraus können sich Haftungsansprüche ergeben, vor allem wenn ein Vorsatz oder eine grobe Fahrlässigkeit im Umgang mit den Unternehmensunterlagen des Wirecard-Konzerns festgestellt werden kann. In beiden Fällen wäre das Unternehmen durchaus haftbar und müsste die Konsequenzen seiner Fehler in barer Münze bezahlen. Der Nachweis hierüber ist allerdings sehr kompliziert und muss in ausgiebiger Form erbracht werden. Das dürfte das gesamte Verfahren deutlich in die Länge ziehen. Es wird nicht bei einer Verhandlung bleiben und auch Ernst & Young wird alle juristischen Möglichkeiten nutzen, die sich der Gesellschaft bieten. Anleger sollten folglich viel Geduld mitbringen und nicht mit einem schnellen Abschluss des Verfahrens rechnen. Das KapMug-Gesetz sieht hier leider keine Möglichkeiten zur Verfahrensverkürzung vor, wobei es natürlich auch hier juristische Hintertürchen geben wird. Inwieweit sich hier Möglichkeiten zur Verfahrensverkürzung ergeben, wird erst im Verlauf der Verhandlungen ersichtlich werden. Wer sich für die Teilnahme entscheidet, der sollte folglich etwas Geduld mitbringen und nicht mit schnellen Ergebnissen rechnen.

Welche Fristen müssen Anleger beachten und wie lange dauert die Verjährung der Ansprüche?

Als Anleger sollte man jetzt damit beginnen, sich zu informieren! Denn für die Teilnahme am Verfahren müssen nicht nur Voraussetzungen erfüllt, sondern auch Fristen eingehalten werden. Die Unterlagen müssen bis zur Mitte des Jahres bei den Kanzleien einlaufen und dort einer Überprüfung unterzogen werden. Nur so ist eine fristgerechte Teilnahme möglich. Wer also Aktionär bei Wirecard war, der sollte sofort reagieren und sich an die zuständigen Rechtsanwälte wenden. Eine aufwändige Vorprüfung ist in der Regel nicht notwendig. Die meisten Kanzleien, welche an diesem Verfahren beteiligt sind, übernehmen die Vorprüfung und teilen dem Anleger die Einschätzung anschließend mit. Im Bezug auf die Verjährung ist es wichtig zu beachten, dass alle anderen Verfahren in diesem Zusammenhang gegenüber der Gruppenklage nachrangig sind. In diesen Verfahren wird die Verjährung somit gehemmt. Das gilt aber nicht für Einzelaktionäre, die sich gegen die Teilnahme an der Gruppenklage entscheiden. In diesem Fall wirkt die Verjährung nicht hemmend und sollten die gesetzlichen Verjährungsfristen verstreichen, dann verfallen entsprechende Ansprüche auf Schadensersatz.

Sonderfall: Vererbarkeit der Schadensersatzansprüche

Da es sich hierbei um privatrechtliche Schadensersatzansprüche handelt, können diese durchaus vererbar sein. Wer hierzu noch Fragen hat, der sollte sich umgehend bei seinem Anwalt informieren. Das ist unter dem Aspekt des Alters mancher Anleger ein interessanter Punkt. So kann sichergestellt werden, dass die Ansprüch auf Schadensersatz auch in der Zukunft dem Vermögen der Hinterblieben zufließen können und so der Sinn der Anlage, nämlich der Aufbau einer Erbmasse, zumindest wieder in Teilen erfüllt werden kann. Experten rechnen im Allgemeinen mit einem Rechtsstreit von mehreren Jahren, allerdings mit einer gesamten Dauer von unter 10 Jahren. Letztlich lässt sich das aber natürlich nicht komplett abschätzen und wäre ein zu tiefer Blick in die Glaskugel mit vielen Unabwägbarkeiten. Um die Ansprüche auf Schadensersatz zu wahren ist es deswegen dringend geboten, eine Teilnahme an der Gruppenklage in Erwägung zu ziehen und diese schnellstmöglich durchzuführen.

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Jens Reime - Anwalt für Bank- & Kapitalmarktrecht

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