Staatlich geförderter Wohnungsbau in Berlin: Wer haftet den Kapitalanlegern ?

Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, die Revision in Sachen Anschlussförderung für den sozialen Wohnungsbau in Berlin zu verwerfen, stehen hunderte geschlossene Immobilienfonds mit etwa 15 000 Zeichnern vor einem Fiasko. Vielen Anlegern, die mehrfach solche Fonds gezeichnet haben, droht die persönliche Insolvenz. Anleger von geschlossenen Immobilienfonds in Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts werden aufgrund ihrer Haftung zu Nachschüssen aufgefordert, die bei vielen Betroffenen den Rahmen des finanziell Möglichen übersteigen.Daneben wurden für sie durch einen Treuhänder Schuldanerkenntnisse über bestimmte Teilbeträge, die sich nach ihrer kapitalmäßigen Beteiligung an der Gesellschaft richteten, abgegeben und der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Privatvermögen unterworfen. Die finanzierenden Banken erhielten so neben den Grundschulden an den Fondsimmobilien weitere (Personal-) Sicherheiten. Diese sofortige Haftung mit dem Privatvermögen wurde in den Prospekten häufig falsch oder verschleiert dargestellt. So wurde z.Bsp. dargestellt, dass im schlimmsten Falle zuerst die Immobilien durch die Banken verwertet werden und danach erst die Privatvermögen der Gesellschafter.

Die Formulierungen lauteten z.Bsp.:


(...)


Mit ihrem sonstigen Vermögen haften sie quotal entsprechend ihrer kapitalmäßigen Beteiligung an der Gesellschaft. Soweit Gläubiger durch Grundpfandrechte gesichert sind, haftet zunächst die Immobilie – wie auch für öffentliche Lasten – insgesamt. Darüber hinaus haften die Gesellschafter nur quotal entsprechend ihrer Beteiligung.“


(...)


oder:

(...)

In der Bewirtschaftungsphase können Nachschüsse erforderlich werden, wenn nicht die Mieten erzielt werden, die mindestens für die Deckung der Kosten und der Tilgung notwendig sind..... Letztlich ist ein anteiliger Schuldenausgleich notwendig, wenn bei der Veräußerung der Immobilie nicht der Preis erzielt wird, der zur Deckung der Ver­bindlichkeiten notwendig ist. Leisten einzelne Gesellschafter beispielsweise die wegen fehlender Mieteinnahmen notwendigen Nachschüsse nicht, so kann die darlehensgewährende Bank aus der Grundschuld auf dem Gesellschaftsgrundstück vollstrecken.... Die übrigen, nachschussbereiten Gesellschafter können in diesem Falle die Vollstre­ckung letztendlich nur dadurch abwehren, dass sie den Anteil des säumigen Gesell­schafters und dessen Nachschusspflicht übernehmen...Ein durch den Substanzwert nicht gedeckter persönlicher Darlehensanteil besteht nicht.


(...)


Regelmäßig wurden aber in den Grundschuldurkunden die Gesellschafter dergestalt der Haftung unterworfen, dass die Banken sie sofort und ohne vorherige Inanspruchnahme der Fondsobjekte in Anspruch nehmen können. Zusätzlich wurden feste Haftungssummen vereinbart. Diese haben zur Folge, dass die Banken jederzeit die festgelegten Summen vollstrecken können, ohne die Tilgungsleistungen der Fondsgesellschaften auf die Darlehensverträge beachten zu müssen.

Diese falschen und schleierhaften Angaben in den Prospekten sind vielen Gesellschaftern bis heute leider verborgen geblieben. Folglich richtete sich das Anlegerinteresse auf den Wegfall der Anschlussförderung durch das Land Berlin. Die Inanspruchnahme von Gründungsgesellschaftern ist den Gesellschaftern nunmehr durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 23.01.2007 – XI ZR 44/06 möglich geworden:

Gesellschafter die bislang von der Haftungsreihenfolge und den festgelegten Haftungssummen nichts wussten, können immer noch ihre Prospekthaftungsansprüche geltend machen, ohne dass ihren Ansprüchen die Einrede der Verjährung entgegensteht. Haftungsgegner sind die Vertragspartner / Mitgesellschafter des Anlegers, welche den Fonds gründeten. Häufig sind diese Personen den Anlegern unbekannt oder aber ihre Rolle blieb den Anlegern bislang verborgen. In mehreren von mir erstrittenen Urteilen wurden für Anleger gegen die Gründungsgesellschafter von GbR - Fonds wegen der genannten Prospektfehler Schadensersatzansprüche ausgeurteilt. Gleichzeitig wurden die Gründungsgesellschafter dazu verpflichtet, die Anleger von den Verbindlichkeiten gegenüber den Banken freizustellen.

Die Gerichte argumentierten:


(...)


Der Prospekt ist insoweit unrichtig, als er einen unzutreffenden Eindruck über die Haftungsrisiken des beitretenden Gesellschafters vermittelt. Durch den Gebrauch des Wortes "zunächst" wird der Schluss nahe gelegt, dass im Falle von Zahlungsrückständen das persönliche Vermögen der Gesellschafter von Zahlungsrückständen erst einmal nicht betroffen ist. Die Formulierung weckt beim Adressaten des Prospekts die Erwartung, dass das Risiko einer persönlichen Inanspruchnahme erst dann droht, wenn die Gesellschaft als solche in Liquidation gerät und das Grundstück verwertet wird (vgl. Kammergericht, Urteil vom 28.3.2006 zum Az: 27 U 106/05 zu einem vergleichbaren Fall). Die suggerierte Haftungsreihenfolge weicht von der tatsächlichen Regelung der Darlehens­verträge ab. Denn es ist unstreitig, dass in den Darlehensverträgen mit den Banken keine Vereinbarungen enthalten sind, die eine solche Haftungsreihenfolge (nämlich zuerst Verwertung des Grundstücks, dann erst die persönliche Inanspruchnahme der Gesellschafter) vorsehen. Da die Bank sonach sofort auf das Privatvermögen der Gesellschafter zugreifen kann, sind die leistungsfähigen bzw. - willigen Gesellschafter dem Zugriff der Banken ausgesetzt, ohne dass sie darauf hoffen oder gar vertrauen können, dass das Grundstück für sie bzw. den Fonds erhalten bleibt. Könnte die Bank dagegen erst nach Verwertung des Grundstücks auf die persönliche Haftung zurückgreifen, müssten die Gesellschafter eine persönliche Inanspruchnahme erst im schlimmsten Fall befürchten, nämlich dann, wenn ohnehin nichts mehr zu retten wäre.

Selbst wenn man nur eine Unklarheit und keine Unrichtigkeit des Prospekts annehmen würde, wäre im Ergebnis ein Aufklärungsmangel zu bejahen. Andernfalls hätten Initiatoren und Prospektverantwortliche einen Freibrief dahin, dass sie ohne Haftungsrisiko durch bewusst unklare Formulierungen Dritte zum Beitritt zu einer Kapitalanlage veranlassen können.

Darüber hinaus ist der Prospekt auch insoweit unrichtig, als tatsächlich gar keine persönliche quotale Haftung des einzelnen Gesellschafters auf die jeweilige Darlehensverbindlichkeit besteht, sondern eine Haftung in Höhe des aus dem Anfangsdarlehen gemäß der Quote sich errechnen­den Betrages. Die persönliche Haftung auf einen festen Teilbetrag enthält gegenüber den nach der Gestaltung des Prospektes und der Dokumentation berechtigten Annahmen einen weiteren erheblichen Nachteil: Sogar eine vorrangige Verwertung des Grundstückes würde die Höhe des persönlichen Haftungsbetrages nicht verringern (vgl. BGH, NJW 1997, 1580f.). Nach den Ausführungen im Prospekt und der Dokumentation konnte der Anleger aber davon ausgehen, er werde im Falle eines Misserfolges persönlich nur auf den „verbliebenen Rest,, haften.

Die vorgenannten Umstände stellen gravierende Abweichungen des tatsächlichen Zustandes in Bezug auf eine persönliche Haftung des einzelnen Gesellschafters im Vergleich zu der im Prospekt und Dokumentation dargestellten Lage dar. Die Beklagten wenden hiergegen nichts Erhebliches ein.

(...)


(Kammergericht aaO.)

Erster Schritt zur Anspruchsgeltendmachung ist die Informationsbeschaffung! Die Fondsgeschäftsführung sollte unter Fristsetzung aufgefordert werden, die Grundschuldbestellungsurkunden mit persönlicher Haftungsunterwerfungserklärung abschriftlich zu übersenden. Jeder Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts hat dieses Informationsrecht nach § 716 BGB. Mit Gegenwind kann gerechnet werden, wenn die Geschäftsführung des Fonds gleichzeitig aus den Gründungsgesellschaftern besteht. Deswegen sollte schon hierfür generell ein spezialisierter Anwalt beauftragt werden.

Danach sollte dann geprüft werden, wer Gründungsgesellschafter ist, ob die Bank ohne Einschränkungen vollstrecken kann und ob tatsächlich feste Haftungsquoten vereinbart worden sind entgegen der Angaben in Prospekten und Zeichnungsscheinen.

Geradezu gefährlich kann es werden, wenn die Gesellschafter im Rahmen der allgegenwärtigen Sanierungsverhandlungen von Fondsgeschäftsführung und Banken über die wahren Haftungsmodalitäten informiert werden. Dies geschieht häufig deswegen, um den Gesellschaftern Sanierungsbeiträge abzunötigen. Sind dann auch noch die Gründungsgesellschafter bekannt, liegt die erforderliche Kenntnis vor und der Lauf der kurzen dreijährigen Verjährungsfrist beginnt.