Heiße Luft oder plausibles Anlagekonzept – Berater müssen prüfen Bundesgerichtshof Az..: III ZR 144/10

Ein Großteil der Vermögensschäden durch unseriöse Anbieter könnte vermieden werden, wenn freie Anlageberater deren Anlagekonzepte und Fondsprospekte auf ihre Plausibilität bzw. wirtschaftliche Tragfähigkeit hin überprüfen würden, bevor sie eine Empfehlung an ihre Kunden abgeben. Wenn diese Markteilnehmer über eine entspr. Ausbildung und Zertifizierung verfügen würden, könnten sie dieser Pflicht zur Plausibilitätsprüfung in den meisten Fällen auch nachkommen.

Der Fall
befasste sich mit einer individuellen Modellrechnung, die der Initiator einer Kapitalanlage mit den Daten der Anleger erstellte im Auftrag des Anlageberaters. Im Endergebnis sind die hier aufgestellten Grundsätze jedoch auch für alle anderen Fälle der Anlageberatung oder -vermittlung anwendbar, bei denen ein Prospekt vorhanden ist oder auch nicht.

Ergebnis

Zum wiederholten Male stellte der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 17.02.2011 Az.: III ZR 144/10 Pflichten für einen Anlagevermittler fest:

(...)

a) Als solcher schuldete er dem Kläger und seiner Ehefrau nach Maßgabe der in der Senatsrechtsprechung entwickelten Grundsätze eine richtige und vollständige Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für deren Anlageentschluss von besonderer Bedeutung waren. Hierbei muss ein Vermittler das Anlagekonzept, bezüglich dessen er Auskunft erteilt, wenigstens auf Plausibilität hin überprüfen. Ansonsten kann er keine sachgerechten Auskünfte erteilen. Unterlässt er diese Prüfung, hat er den Interessenten hierauf hinzuweisen. Vertreibt der Vermittler die Anlage anhand eines Prospekts, muss er im Rahmen der geschuldeten Plausibilitätsprüfung den Prospekt darauf kontrollieren, ob dieser ein in sich schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gibt und ob die darin enthaltenen Informationen, soweit er das mit zumutbarem Aufwand zu überprüfen in der Lage ist, sachlich vollständig und richtig sind.

(...)

Der Berater haftet auf Schadensersatz, weil er die Angaben zur Werthaltigkeit der Immobilie für die streitgegenständliche Immobilienfondsbeteiligung nicht auf ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit hin überprüfte.


Weitere Fälle:

Lehrreich ist auch der Fall in BGH Az.: III ZR 62/99, 13.01.2000. Hierbei ging es nicht um einen geschlossenen Immobilienfonds sondern um eine Beteiligung an einer Gesellschaft, die Handel mit Bankschuldverschreibungen betreiben sollte, wobei eine Beratung mittels Prospekt durchgeführt wurde und der Berater nicht darüber informierte, dass er eigentlich von den fragliche Geschäften keine Ahnung haben konnte:

(...)

Der Beklagte beging eine schuldhafte Verletzung des mit dem Kläger geschlossenen Auskunftsvertrages, indem er ihm die Anlage bei der P. GmbH anhand des Prospekts und der "Monatlichen Informationen" darlegte, ohne gleichzeitig zu offenbaren, daß es sich dabei im Grunde nur um Erklärungen der Geschäftsführung der P. GmbH handelte und er weder deren Schlüssigkeit geprüft noch sonstige objektive Informationen zur Wirtschaftlichkeit der Kapitalanlage hatte. Nicht erst im Rechtsstreit, sondern schon bei den Besprechungen, die zu den Beteiligungsanträgen des Klägers führten, hätte der Beklagte darlegen müssen, daß er "davon, welche Geschäfte die Firma P., ihr Geschäftsführer G. und die zahlreichen mitwirkenden weiteren Gesellschaften und Einzelpersonen mit dem Geld der Anleger, weit entfernt von seinem Einblickbereich, tätigten ... keine Ahnung" hatte.

(...)

Genauer ist BGH III ZR 25/92 vom 13.05.1999 hinsichtlich der Konkretisierung dessen, was zu überprüfen ist - nämlich objektive Gegebenheiten wie z. Bsp. eine Bilanz - und dass derjenige, der sich als Anlagevermittler ausgibt die erwarteten Kenntnisse haben muss oder eben im Falle der Unkenntnis hierüber Auskunft geben muss:

(...)

a) Das Berufungsgericht hat dem Beklagten zugutegehalten, daß er sich aufgrund von Presseberichten und wiederholten Betriebsbesichtigungen für hinreichend informiert über die wirtschaftliche Situation der F-GmbH hielt. Es hat diese Informationen aber nicht für ausreichend erachtet, weil sie im Grunde nur auf den Angaben der Geschäftsführung des Unternehmens beruhten und deshalb ohne objektiven Aussagewert waren. Aus der Bilanz (ohne Gewinn- und Verlustrechnung) 1985, die dem Beklagten zur Zeit der streitigen Anlagevermittlung vorlag, habe sich ein Verlust ergeben. Bedenken hätten sich dem Beklagten vor allem deshalb aufdrängen müssen, weil die GmbH mit einer Bilanzsumme 1985 von rd. 2 Mio DM nur mit dem gesetzlichen Mindeststammkapital von 50.000 DM ausgestattet gewesen sei, dem Verbindlichkeiten von rd. 1,8 Mio DM gegenübergestanden hätten, darunter rd. 1,5 Mio DM "sonstige Verbindlichkeiten", vermutlich die bis dahin geworbenen stillen Beteiligungen. Angesichts des krassen Ungleichgewichts zwischen Eigen- und Fremdkapital habe die Gefahr bestanden, daß bereits geringfügige Schwankungen des Geschäftsverlaufs das Unternehmen schädigen konnten. Die Zahlung der versprochenen Zinsen von jährlich 10 % auch in der Zukunft sei jedenfalls sehr fraglich gewesen.

.......

Wer sich als Anlagevermittler betätigt, hat über die dafür nötigen und erwarteten Kenntnisse zu verfügen oder offenzulegen, daß dies nicht der Fall ist. Jedenfalls nachdem der von den Eltern der Klägerin hinzugezogene Bankkaufmann wiederholt Zweifel geäußert hatte, wie es möglich sei, daß derart hohe, deutlich über den banküblichen Kreditzinsen liegende Zinsen bezahlt würden, mußte der Beklagte darauf entsprechend reagieren. Es gereicht dem Beklagten zum Verschulden, daß er die Kapitalanlage als sicher hinstellte, obwohl seine Informationsgrundlagen erkennbar nicht ausreichten; zumindest musste er offenbaren, dass ihm gesicherte Informationen über die wirtschaftliche Situation der F-GmbH nicht zur Verfügung standen.

(...)

Fazit:
Wer sich als Anlageberater oder Anlagevermittler ausgibt muss davon ausgehen, dass er auch als solcher haftet, falls seine Empfehlungen unrichtig sind. Er kann sich nicht hinter dem Betrüger verstecken, der die Anlegergelder nicht vertrags- oder prospektgemäß anlegte und mit dem Finger auf ihn zeigen, wenn es um die Schuldfrage im Falle des Vermögensverlustes geht. War dessen Konzept erkennbar von Anfang an unplausibel und hatte der Berater nicht die erforderliche Kenntniss dies zu erkennen, musste er hierüber seinen Kunden Auskunft geben.