Beratungsdefizite bei Finanzierung über Kredit und Lebensversicherung – Bankkunden sind nicht rechtlos

Beratungsintensive Kombinationen aus Lebensversicherung und Kredit sind seit Jahren Gegenstand der Rechtsprechung des BundesgerichtshofWird bei Kreditinstituten eine sachkundige Beratung zur Baufinanzierung angefragt und lässt sich das Kreditinstitut darauf ein, die Frage zu beantworten, dann kommt ein Beratungsvertrag mit dem Kunden zustande. Ist der Kunde für jede Finanzierungsform offen, sind dann alle in Frage kommenden Arten der Finanzierung vorzustellen (so z. B. Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 11.11.1996, 31 U 25/96) samt ihrer Vor- und Nachteile. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) bereits mit Urteilen vom 09.03.1989 AZ.: III ZR 269/87 und 03.04.1990 AZ.: XI ZR 261/89 entschieden:

(…)

von der schutzwürdigen Interessenlage des Kreditnehmers her bedürfe es der Rechtfertigung, wenn eine Bank den Kreditwunsch eines Kunden zum Anlass nehme, die Kreditvergabe mit dem Abschluß einer Kapitallebensversicherung zu verknüpfen, obwohl ein Versicherungsbedürfnis nicht bestehe und die Vertragskombination für den Kreditinteressenten wirtschaftlich ungünstiger sei als ein marktüblicher Ratenkredit, mit dem der verfolgte Zweck ebenso gut zu erreichen sei.



(…)

In der Praxis ist es häufig der Fall, dass Bankkunden völlig überrascht sind, dass die Ablaufleistung der Lebensversicherung niedriger ist, als die von der Bank verlangte Tilgungsleistung für den Kredit. Man ist landläufig der Meinung, dass der Kredit nur durch die Ablaufleistung zu tilgen wäre und ein geringerer Betrag zu Lasten der Bank ginge. Hier hat der Bundesgerichthof jedoch am 20.11.2007 (XI ZR 259/06) für Klarheit gesorgt, als er festhielt, dass das Risiko der Unterdeckung grundsätzlich der Darlehensnehmer zu tragen habe. Ausnahmen müssen daher vereinbart worden sein.

Bei einer Kombination aus Lebensversicherung und einem Darlehen ohne laufende Tilgung muss unmissverständlich darauf hingewiesen werden, dass die nichtgarantierte Versicherungssumme zur Tilgung nicht ausreicht. Um die Größenordnung dieses Risikos vor Augen zu führen, muss auch aufgezeigt werden, welche Lücken verbleiben, wenn die Überschussbeteiligungen beispielsweise ein oder zwei Prozent niedriger ausfallen, als zum Zeitpunkt der Vertragsanbahnung.

Ist die Rendite, die mit der Versicherung erwirtschaftet wird, niedriger ist als der Zinssatz, der für den Kredit bezahlt werden muss, ist die Besparung der Lebensversicherung ein Verlustgeschäft. Häufig ist die Kombination aus Versicherung und Kredit von vorneherein regelmäßig teurer, als der Kreditzins des Darlehens allein vermuten lässt. Es muss daher der wirkliche Preis der Verbindung aus Festdarlehen und Versicherung genannt werden.

Über den Nachteil, dass sich mögliche spätere Zinssteigerungen auf die volle Kreditsumme auswirken und die Finanzierung deshalb verhältnismäßig stärker verteuern würde, als bei einem laufenden Abtrag, muss ebenfalls aufgeklärt werden. Die Gefahr, bei einem vorzeitigen Abbruch der Finanzierung eine höhere Vorfälligkeitsentschädigung zahlen zu müssen, weil der Zinsausfall für das Kreditinstitut größer ist, gehört ebenso dazu, wie das Manko, dass es bei einem gleich bleibend hohen Kredit schwerer fällt, die Finanzierung durchzuhalten, wenn sich später die finanziellen Verhältnisse verschlechtern sollten.

BGH XI ZR 318/95

(…)

Gerade bei der hier angebotenen speziellen Finanzierungsmethode - Verbindung von Vorausdarlehen und Bausparverträgen - besteht für den Kunden ein erheblicher Aufklärungs- und Beratungsbedarf.

(…)

Nach den derzeitigen Fällen in der Praxis ist über diese speziellen Risiken und Nachteile in der Vergangenheit nur unzureichend bis gar nicht aufgeklärt worden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat das aber zur Folge, dass der Kreditnehmer Schadensersatz wegen Verschuldens bei Vertragsabschluss verlangen kann. Die Bank muss den Mehraufwand ersetzen, der durch Wahl der ungünstigeren Finanzierung über eine Lebensversicherung entstanden ist:

BGH XI ZR 269/87

(…)

Die Kläger haben vorgetragen, sie hätten bei pflichtgemäßer Aufklärung durch die Beklagte vom Abschluss eines mit einer Kapitallebensversicherung verbundenen Kreditvertrages abgesehen und stattdessen einen "normalen" Ratenkredit aufgenommen. Trifft das zu, so besteht der ersatzfähige Schaden in der Differenz zwischen den von ihnen aufgewendeten und denjenigen Kreditkosten, die ihnen bei Abschluß eines Ratenkreditvertrages - mit Restschuldversicherung - zu marktüblichen Bedingungen entstanden wären (Reifner aaO S. 824). Dabei ist auf einen Ratenkredit abzustellen, dessen monatliche Belastung derjenigen entspricht, welche die Kläger aufgrund der im Streitfall gewählten Vertragskombination insgesamt aufzubringen hatten. Ob sie einen solchen Kredit von der Beklagten erhalten hätten, ist unerheblich; es genügt die Möglichkeit der Kreditaufnahme bei einer anderen Bank. Bei der Berechnung der von den Klägern aufgewendeten Kreditkosten sind im Wege des Vorteilsausgleichs auch die vertragsspezifischen Vorteile der Kapitallebensversicherung zu berücksichtigen.

(…).

Betroffene sollten daher auch aus zeitliche Gründen (Verjährung!) sich zu ihren rechtlichen Möglichkeiten beraten lassen.