Einsatz der Lebensversicherung zur Kreditsicherung/ Widerruf rechtsmissbräuchlich bei engen zeitlichen Zusammenhang

BGH 27.01.2015 IV ZR 130/15

Der Fall:
Die Klägerseite (Versicherungsnehmer) begehrt von dem beklagten Versicherer Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer kapitalbildenden Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufwertes.
Diese wurde mit Versicherungsbeginn 1999 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung abgeschlossen. Aufgrund Antrags des Versicherungsnehmers 2000 hinsichtlich einer Höherversicherung und Tarifänderung kam es zu einer Neupolicierung rückwirkend zum Versicherungsbeginn. Der Versicherungsnehmer erhielt mit dem Versicherungsschein, der jeweils die Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. enthielt, die Versicherungsbedingungen und eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG).
Der Versicherungsnehmer zahlte in der Folge die Versicherungsprämien. 2009 erklärte er u.a. den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F., hilfsweise die Kündigung und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. 2012 erklärte er erneut u.a. den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F.
Nach Auffassung des Versicherungsnehmers ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil d. VN zum einen nicht ordnungsgemäß belehrt wurde und zum anderen das Policenmodell mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.

Entscheidung:
Der Widerruf ist unwirksam. Aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Vertragsschluss und Verfügung über diesen, ist dem Versicherungsnehmer das Recht auf einen Widerruf trotz nicht ordnungsgemäßer Belehrung wegen widersprüchlichen Verhalten und schutzwürdigem Interesse der Versicherung zu versagen.

Begründung:
Die Belehrung des Versicherungsnehmers erfolgte mangelhaft. Es liegt ein Verstoß gegen das Schriftlichkeitserfordernis nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. vor. Der Versicherungsnehmer wurde inhaltlich nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt, weil die Widerspruchsbelehrung keinen Hinweis darauf enthält, dass der Widerspruch schriftlich zu erheben war. Die notwendige Belehrung über das gesetzliche Formerfordernis erfolgte nicht dadurch, dass dem Versicherungsnehmer mitgeteilt wurde, zur Fristwahrung genüge die rechtzeitige "Absendung" der Widerspruchserklärung. Selbst wenn ein verständiger Versicherungsnehmer nur verkörperte Erklärungen als der Absendung zugänglich ansieht, so bleibt für ihn dennoch unklar, ob hierzu eine Verkörperung in Textform ausreicht oder ob es nicht der traditionellen Schriftform bedarf. Das durch die Belehrung die Schriftform abbedungen werden sollte, ist ihrem Text nicht zu entnehmen.
Eine ordnungsgemäße Belehrung über das Widerspruchsrecht war hier auch nicht ausnahmsweise deshalb entbehrlich, weil der Versicherungsnehmer bei seinem Antrag auf Abschluss des Versicherungsvertrages durch einen Versicherungsmakler beraten worden sei. Eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung ist nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. gesetzlich vorgeschrieben. Darauf, ob d. VN im Einzelfall trotz nicht ordnungsgemäßer Belehrung von seinem Widerspruchsrecht gleichwohl zutreffend Kenntnis hatte, kommt es nicht an.
Ein Bereicherungsanspruch und demzufolge ein Anspruch auf Rückerstattung der gezahlten Beiträge besteht nach § 242 BGB nicht. Dies gilt unabhängig von Wirksamkeitszweifeln nach dem Policenmodell geschlossener Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F.
Ein Ausschluss des Anspruchs besteht gem. § 242 BGB wegen widersprüchlichen Verhaltens des Versicherungsnehmers. Dieser hatte bereits zwei Monate nach Erhalt des Versicherungsscheins am Anfang des Jahres 2000 seine Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag als Sicherheit für ein Darlehen über an eine Bank abgetreten, wovon die Beklagte mit Schreiben Kenntnis erhielt. Nach Prämienzahlung über mehr als acht Jahre trat der Versicherungsnehmer die Forderungen aus dem Versicherungsvertrag im September 2008 ein weiteres Mal an eine Bank zur Sicherung der Ansprüche aus einem Kreditvertrag ab. Auch darüber wurde die Beklagte informiert. Die Abtretung umfasste jeweils ausdrücklich auch die Todesfallleistung; dies setzt zwingend das Bestehen eines wirksamen Vertrages voraus. Der enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Abschluss des Versicherungsvertrages im Jahr 1999 und dessen Einsatz zur Kreditsicherung Anfang des Jahres 2000, sowie die Abtretung auch der Todesfallleistung durfte bei dem Versicherer ein schutzwürdiges Vertrauen in den unbedingten Bestand des Vertrages begründen. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für den Versicherungsnehmer auch erkennbar.
Im Ergebnis bejaht der BGH bei einem Vertragsschluss im März 2000 und einer Sicherungsabtretung im Mai des Folgejahres den engen zeitlichen Zusammenhang und versagt dem Versicherungsnehmer den Widerspruch.

Wie sollten sich Versicherungsnehmer verhalten?
Der Versicherungsnehmer sollte seinen Versicherungsvertrag von einem Anwalt überprüfen lassen und den Vertrag dann ggfls. von diesem widerrufen lassen,
bevor er die Police im Original zu seinem Versicherer schickt.
Nach unserer Erfahrung ist es zwecklos, dies ohne anwaltliche Hilfe zu versuchen, da Versicherungskunden dann zumeist nicht ernst genommen werden.

Was ist zu tun?
Sofern Versicherungskunden bereits rechtsschutzversichert sind, benötigen wir für eine kostenfreie Abschätzung der rechtlichen und wirtschaftlichen Erfolgsaussichten den
Versicherungsantrag und die
Police samt Begleitschreiben sowie Mitteilung über gezahlte
Prämien und
Versicherungsleistungen.
Sofern noch keine Rechtsschutzversicherung besteht, kann hierfür eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen werden (BGH IV ZR 23/12), bevor Widerspruch oder Rücktritt ausgelöst werden.